Die Frau mit dem Muttermal - Roman
effektiver als alle anderen bekannten Marken.
»Ja?«, wiederholte sie. »Und wohin?«
»An verschiedene Orte. Unter anderem nach Hamburg. Da gibt es einige Geschäftspartner, die ich treffen muss.«
»Ich verstehe«, sagte die Ehefrau und begann wieder zu reiben, während sie dachte, dass sie genau das nicht tat. Verstehen. Aber das spielte natürlich keine Rolle. Sie hatte sich nie um die Geschäfte ihres Mannes gekümmert. Sie interessierte sich wenig für die Importfirma (oder waren es sogar zwei?), die er betrieb. Das war nichts für eine Frau wie sie. Bereits als sie heirateten, waren sie sich über eine Sache einig – jeder kümmerte sich um seinen Teil der Familie. Er ums Geld, sie um Haus und Kinder.
Die inzwischen alle ausgezogen waren und eigene Familien so ziemlich nach dem gleichen Muster gebildet hatten.
Was ihr wiederum Zeit gab, sich um andere Dinge zu kümmern. Beispielsweise um die Herdplatten.
»Wie läuft es?«, fragte sie.
»Was?«
»Na, die Geschäfte … du schienst in den letzten Tagen etwas gestresst.«
»Quatsch.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
»Das ist gut. Du lässt aber auf jeden Fall von dir hören?«
»Natürlich.«
Aber nachdem er weggefahren war, überlegte sie, ob da nicht doch irgendwas war. Zumindest seit – sie rechnete nach – Dienstagabend, als er sehr spät und ziemlich aufgewühlt nach Hause gekommen war, war er ungewöhnlich unkonzentriert und reizbar.
Und dann hatte man ja einen weiteren seiner alten Militärkameraden tot aufgefunden, und das hatte ihn schon mitgenommen, das hatte sie ihm angesehen. Auch wenn er es natürlich nicht zugeben wollte.
Deshalb war es vielleicht nur gut für ihn, für eine Weile fortzukommen, überlegte sie. Wohl für alle Beteiligten, wie es schien. Es gab Dinge, die sie sich selbst nur schwer eingestand, und dazu gehörte zweifellos die Tatsache, dass sie nicht viel dagegen hatte, das große Haus für sich zu haben.
Eigentlich überhaupt nichts, dachte sie und rieb noch etwas fester.
Als der Hauptkommissar aus der Sauna zurück war, saß Münster bereits in seinem Zimmer und wartete auf ihn. Das schien er schon eine Weile zu tun, da er sich sowohl Kaffee als auch die Morgenzeitung besorgt hatte.
»Also«, sagte der Hauptkommissar und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Lass hören.«
Münster faltete die Zeitung zusammen und nahm drei hellgelbe Karteikarten auf.
»Ich denke, am besten guckt es noch jemand anderes durch«, sagte er. »Es ist schwierig, die Sorgfalt zu behalten, wenn man so viel Blödsinn liest – ein Typ hat offensichtlich dreimal angerufen und behauptet, seine Mutter wäre der Mörder.«
»Wirklich?«, fragte Van Veeteren. »Und du bist dir sicher, dass er nicht die Wahrheit sagt?«
»Absolut«, entgegnete Münster. »Er ist etwas über siebzig. Seine Mutter starb 1955. Dann haben wir einen, der behauptet, er wäre da gewesen, also in Innings’ Haus, und hätte alles
gesehen. Der Täter war ein riesiger Einwanderer mit Krummsäbel und einer schwarzen Klappe über einem Auge.«
»Hm«, brummte Van Veeteren. »Etwas weniger Exotisches hast du nicht zu bieten?«
»Doch«, sagte Münster. »Eine ganze Menge, die wir gegenchecken müssen. Diese drei hier sind wohl die interessantesten.«
Er reichte die Karten hinüber, und der Kommissar las sie, wobei ein Zahnstocher langsam von einem Mundwinkel zum anderen wanderte.
»Den hier übernehme ich«, sagte er. »Du musst die anderen beiden überprüfen. Gehe mit dem Rest der interessanten Hinweise zu Reinhart, der soll sie weiterverfolgen.«
Münster nickte. Trank seinen Kaffee aus und verließ das Zimmer. Van Veeteren wartete, bis die Tür sich schloss. Dann schaute er wieder auf die Karte und wählte die Nummer.
»Katrine Kroeller?«
»Einen Augenblick.«
Es dauerte eine halbe Minute, dann hatte er eine helle Mädchenstimme am Hörer. Sicher nicht älter als neunzehn, zwanzig, schätzte er.
»Ja, hier ist Katrine Kroeller.«
»Mein Name ist Hauptkommissar Van Veeteren. Sie haben uns hinsichtlich einer Ermittlung, die wir führen, einen Hinweis gegeben. Kann ich zu Ihnen kommen und mit Ihnen sprechen?«
»Ja … ja, natürlich. Wann wollen Sie kommen?«
»Jetzt«, sagte Van Veeteren und schaute auf die Uhr, »oder so in zwanzig Minuten, ungefähr … die Adresse ist Parkweg 31?«
»Ja.«
»Dann sehen wir uns gleich, Frau Kroeller.«
»Ja … kommen Sie. Aber ich hoffe …«
»Was?«
»Ich hoffe, es ist nicht
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