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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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vorbei, dieses reinigende und wegätzende Alkoholbad. Die Distanz war erreicht, die Angst unter Kontrolle, und die Strategien forderten wieder den ganzen Mann.
    Er sah sie wieder vor sich. Er hatte seine Gegnerin nach dem schockierenden Mord an Innings völlig aus den Augen verloren. Die Mörderin war wie vom Erdboden verschwunden, ein Phantom, das nicht zu fassen war, ein Übermensch. Das Einzige, was er überhaupt machen konnte, war, sich verstecken und warten. Verschwinden. Untertauchen und hoffen.
    Deshalb war er auf und davon. Hatte sich unsichtbar gemacht. Er hatte nicht nur den Kopf in den Sand gesteckt, sondern sich ganz und gar eingegraben. Weg von allem und allen. Weg von ihr. Aber am neunten Tag hatte er seinen Revolver in der Hand gewogen und angefangen, wieder nach vorn zu sehen.

    Zwei Dinge waren klar: Er durfte nicht zur Polizei gehen. Seine Deckung aufgeben. Sich ergeben und alles erzählen. Dieses Hurenkind gewinnen lassen. Und er musste sich weiterhin versteckt halten.
    Was war also zu tun?
    Sollte er im Hotel Pawlewski wohnen bleiben? In diesem verfluchten, dreckigen, stinkigen Hotel, bis er bereit war und wusste, was er tun wollte?
    Er blieb und wartete auf die Kraft. Die Kraft, die Entschlossenheit und die Ideen.
    Es musste einen Weg geben.
    Eine Möglichkeit, diese verfluchte Hündin umzubringen, und je klarer seine Gedanken wurden, um so deutlicher wurde ihm, dass es nicht nur um ihn ging. Nicht nur um seine eigene Haut. Das gab Kraft. Es ging auch um die anderen … seine Kameraden, die sie umgebracht hatte, ihre Witwen und Kinder und die Leben, die sie mit ihrem blutigen Rachefeldzug zerstört hatte, nur weil …
    All das Leid, das sie angerichtet hat. Nur, weil, wie gesagt.
    Seine Pflicht. Es war seine verdammte Pflicht, sie zu töten. Sie mit ihren eigenen Waffen herauszufordern, sie dann zu überlisten und sie ein für alle Mal von der Erdoberfläche zu fegen.
    Diese Geißel der Hölle aus der Welt zu schaffen.
    In ihm wuchs die Wut zu Hass. Ein kräftiger, weißglühender Hass, der sich mit dem Gefühl verband, einen Auftrag zu haben, eine Pflicht auszuführen, und ihn dann langsam mit der Kraft erfüllte, die er benötigte.
    Dem Mut. Der Stärke. Der Entschlossenheit.
     
    Und die Methode?
    Gab es mehr als eine?
    Er nahm einen Schluck Whisky. Ließ ihn im Mund kreisen, als wäre es Cognac.
    Nein. Es gab nur eine.

    Auftauchen. Sich eine Blöße geben.
    Ihr die Chance geben, zuerst zuzuschlagen.
    Parieren und sie töten.
    Genau.
    Wie und wo?
    Vor allem: wo? An welchen Ort, zum Teufel, sollte er sie locken, ohne ihr gleichzeitig einen Vorteil zu geben? Er wusste immer noch nicht, wie sie aussah, hatte immer wieder ihr Bild in den Zeitungen angestarrt, und das einzig Sichere war dabei ja nur das: dass sie gerade mit diesem sonderbar friedlichen Gesicht sich ihm nicht nähern würde.
    Eine andere Frau dieses Mal. In welcher Gestalt auch immer. Unerwartet und vollkommen unerkannt. Also, wo? Wo, verflucht noch mal, konnte er ihr eine Falle stellen?
    Und wie?
    Es dauerte eine Nacht, den Plan zu entwerfen, und als er in der graudiesigen Morgendämmerung einschlief, glaubte er selbst nicht, dass er das Tageslicht aushalten würde.
    Aber er tat es. Am Dienstag aß er das erste Mal zu Mittag unten im Speisesaal, und als er danach seinen Entwurf bei zwei Tassen schwarzen Kaffees durchging, fand er zwar hier und da Ecken und Kanten, aber keine, die nicht auszuglätten wären.
    Der Plan hielt.
     
    Biedersen verließ das Hotel Pawlewski am Mittwoch, dem 28. Februar, gegen zwei Uhr nachmittags. Nur den Bruchteil einer Sekunde traf sein Blick den von Herrn Pawlewski hinter dem Rezeptionstresen, aber das reichte, um ihm klarzumachen, dass diese sonderbaren, alles und nichts sehenden Augen sich nie wieder an Jürg Kummerle erinnern würden, der zwölf Nächte in Zimmer 313 gewohnt hatte.
    Für diese Erkenntnis, für diese zwölf Tage, die nie existiert hatten, gab er Herrn Pawlewski einen extra Hundertguldenschein. Hätte sie ihn in dieser schrecklichen Zeit gefunden,
hätte sie gewonnen, das wusste er, aber sie hatte ihn nicht gefunden, und jetzt war er bereit.
    34
    »Heute ist der erste März«, stellte der Polizeipräsident fest und zupfte ein welkes Blatt vom Hibiskus. »Setz dich. Wie gesagt, hätte ich gerne zumindest eine Art Zusammenfassung. Dieser Fall ist ganz schön aufwendig.«
    Van Veeteren knurrte und ließ sich auf dem glatten Ledersessel nieder.
    »Nun?«
    »Was willst du wissen? Wenn

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