Die Frau mit dem Muttermal - Roman
es etwas Neues gäbe, wäre ich ohne zu zögern zu dir gekommen.«
»Kann man sich darauf verlassen?«
Der Hauptkommissar antwortete nicht.
»Wir überwachen jetzt seit zwei Wochen zwanzig Personen. Soll ich dir ausrechnen, wie viel das kostet?«
»Nein danke«, sagte Van Veeteren. »Wenn du willst, kannst du die Überwachung einstellen.«
»Sie einstellen?«, zischte Hiller und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Kannst du dir die Artikel vorstellen, wenn wir den Personenschutz einstellen und sie sich noch einen vorknöpft? Wir sitzen schon jetzt ganz schön in der Tinte.«
»Die Schlagzeilen werden mit der Zeit kleiner, und wir können sie sowieso nicht verhindern.«
Hiller schnaubte und drehte nervös seine goldene Armbanduhr ums Handgelenk.
»Was meinst du damit? Dass unsere Bemühungen gar nichts nützen? Vielleicht ist es ja gerade das, was sie zurückhält!«
»Glaube ich nicht«, erwiderte Van Veeteren.
»So, und was glaubst du? Zum Donnerwetter, nun erzähl mir bitteschön endlich, was du glaubst!«
Der Hauptkommissar holte einen Zahnstocher hervor, betrachtete
ihn kritisch, bevor er ihn zwischen die Vorderzähne im Unterkiefer schob. Er drehte den Kopf und versuchte, hinter dem dichten Blattwerk durch das Fenster hinauszusehen.
»Ich glaube, es regnet. Beispielsweise.«
Hiller öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder.
»Ich bin mir nicht sicher«, fuhr Van Veeteren nach einer kleinen Kunstpause fort. »Entweder ist sie mit dem Morden fertig, oder sie ist hinter weiteren Männern her. Wie dem auch sei, sie hält sich versteckt. Wartet vielleicht darauf, dass wir uns zu erkennen geben … oder darauf, dass das Opfer das tut. Intelligent, ich würde das Gleiche tun.«
Hiller stieß einen Laut aus, den der Hauptkommissar mit einer brunstigen, aber unglücklichen Seerobbe assoziierte.
»Und was machen wir nun?«, fragte er schließlich. »Erzähl mir endlich, was ihr treibt!«
Van Veeteren zuckte mit den Schultern.
»Gehen den Hinweisen nach«, antwortete er. »Es trudeln immer noch welche ein, auch wenn die Zeitungen die Lust an dem Fall verloren haben.«
Hiller holte tief Luft und versuchte plötzlich, optimistisch auszusehen.
»Und weiter?«
»Nicht besonders viel. Wir überlegen, es drauf ankommen zu lassen, aber das birgt natürlich ein gewisses Risiko. Wir könnten uns auf einige denkbare Kandidaten konzentrieren und den Rest außer Acht lassen. Das könnte was bringen.«
Hiller überlegte.
»Gibt es denn welche? Ich meine, die wahrscheinlicher sind als die anderen?«
»Schon möglich«, antwortete Van Veeteren. »Ich schaue sie mir gerade daraufhin an.«
Der Polizeipräsident stand auf und ging wieder zu seinen Pflanzen. Dort blieb er stehen, wippte auf den Zehenspitzen und Hacken, den Rücken dem Hauptkommissar zugewandt,
während er vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger etwas Staub von den Blättern rieb.
»Dann mach es«, sagte er schließlich und drehte sich um.
»Benutze deine verdammte Intuition und bringe was zustande!«
Van Veeteren schälte sich aus dem Sessel.
»War das alles?«, fragte er.
»Im Augenblick ja«, antwortete der Polizeichef und presste die Zähne aufeinander.
»Was hat er gesagt?«, fragte Reinhart.
»Er ist nervös«, erwiderte der Hauptkommissar und goss Kaffee in eine Plastiktasse. Hob diese an den Mund, hielt dann aber inne.
»Wann ist der gebrüht worden?«, fragte er.
Reinhart zuckte mit den Schultern.
»Im Februar, denke ich. Jedenfalls nach Silvester.«
Es klopfte an der Tür, und Münster kam herein.
»Was hat er gesagt?«
»Er wollte wissen, warum wir sie noch nicht gefasst haben.«
»Aha«, sagte Münster.
Van Veeteren lehnte sich zurück und probierte den Kaffee, wobei er das Gesicht verzog.
»Januar«, sagte er. »Typischer Januarkaffee. Münster, wie viele haben wir noch nicht erreicht?«
»Augenblick«, sagte Münster und verschwand. Nach einer Minute kam er mit einem Zettel in der Hand zurück.
»Drei«, sagte er.
»Warum?«, fragte der Hauptkommissar.
»Verreist«, erklärte Münster. »Zwei geschäftlich. Einer macht Urlaub bei seiner Tochter in Argentinien.«
»Sie müsste doch wohl zu erreichen sein?«
»Wir haben sie angeschrieben, aber noch nichts von ihr gehört. Natürlich habe ich nicht besonders hartnäckig nachgefragt …«
Van Veeteren nahm die abgegriffene Fotografie in die Hand. »Wer von denen ist es?«
»Er heißt Delherbes. Wohnt ansonsten hier in der Stadt. Letztes Mal hat deBries mit
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