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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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einfach, dachte sie. Weiterhin ganz einfach.
    Ihr war klar, dass das Auto bereits genau die Tarnung bot, die sie brauchte, und es war auch aus dem Auto heraus – dem gemieteten Fiat –, dass sie ihn entdeckte. Am selben Abend. In der Dunkelheit und dem feinen Regen gegenüber dem Wirtshaus, wo sie den Wagen geparkt hatte. Ein weiteres kalkulierbares Risiko natürlich, aber es gab nicht viele andere Möglichkeiten. In einer Ortschaft wie dieser konnte ein Fremder
nicht so einfach auftauchen, ohne dass er Fragen provozierte. Wer? Warum?
    Unnötig und gefährlich. Es war nicht möglich, herumzulaufen und nach ihm zu suchen. Sie musste ihn jetzt finden. Bevor er sie fand.
    Dieses Mal hatte sie einen Gegner, nicht nur eine Beute. Das war ein gewisser Unterschied.
    Sie sah ihn also hineingehen. Und sie sah ihn nicht wieder herauskommen.
    Am nächsten Abend das Gleiche. Während er sich da drinnen aufhielt, suchte sie sein Haus auf. Betrachtete es einige Minuten von der Straße aus und fuhr dann zurück.
    Überlegte, wie sie vorgehen sollte.
    Er musste es doch wissen. Schließlich war er es, der sie hierhergelockt hatte, das war ihr sofort klar geworden.
    Am dritten Abend machte sie einen weiteren Schritt. Fuhr in den Ort und parkte den Wagen hinter der Kirche. Ging zu Fuß zum Wirtshaus. Ohne zu zögern, ging sie hinein und kaufte an der Bar Zigaretten. Aus den Augenwinkeln sah sie ihn in einer Ecke sitzen. Vor sich ein Bier und einen Whisky. Er sah aufmerksam und angespannt aus, schenkte ihr jedoch keinerlei Interesse. Es waren mehr Leute dort, als sie erwartet hatte. So um die zwanzig Gäste, die Hälfte in der Bar, die Hälfte im Restaurant.
    Drei Abende, dachte sie.
    Das bedeutete mit größter Wahrscheinlichkeit, dass der vierte und der fünfte genauso verliefen.
    Die Voraussetzungen waren klar. Sie hatte das Spiel wieder in der Hand.
    Was auch Zeit wurde. Sie konnte nicht mehr lange warten. Das Geld, das sie hatte, war fast bis auf den letzten Gulden aufgebraucht. Jeder Tag kostete Geld, und sie konnte es sich nicht leisten, die Sache noch länger hinauszuschieben.
    Eine einzige Chance. Mehr würde sie nicht haben. Sie durfte keinen Fehler begehen.

    Also, es bestmöglich planen. Wie die anderen und als würdigen Schlusspunkt.
    Es war schon lange her, dass sie angefangen hatte. Nur noch einer fehlte. Ein Einziger war noch am Leben, dachte sie, als sie zurück zu dem kleinen Haus am Meer fuhr.
    Und in dem flackernden Licht der Petroleumlampe plante sie seinen Tod.
     
    Später, im ersten Morgengrauen, wachte sie auf und konnte nicht wieder einschlafen. Also stand sie auf und zog sich an. Ging ans Wasser hinunter, den Steg entlang. Dort stand sie lange, schaute auf das dunkle Wasser und den Nebel und versuchte, sich an das fast ekstatische Entzücken der Anfangszeit zu erinnern. Versuchte, es mit der kalten Ruhe zu vergleichen, die sie jetzt spürte. Dem überlegenen Gefühl von Vollkommenheit und Kontrolle. Sie konnte sie nicht recht zusammenbringen, fand aber auch keinen Gegensatz darin. Alles passte ineinander. Bald würde es vorbei sein. Alles.
    In zwei Tagen, beschloss sie. In zwei Tagen. Das Datum selbst könnte auch eine Rolle spielen.
    Danach ging sie hinein und setzte sich an den Tisch. Begann zu schreiben.
    Zur Beerdigung meiner Mutter …
    39
    Melgarves? Da war doch was mit diesem Melgarves …
    Jung wühlte zwischen den Papieren auf dem Schreibtisch.
    »Und, hast du Maureen heute Frühstück ans Bett gebracht?«
    Jung schaute auf.
    »Was? Warum sollte ich?«
    »Weißt du denn nicht, was für ein Tag heute ist?«, fragte Moreno und blinzelte ihm zu.

    »Nein.«
    »Der internationale Frauentag. Der 8. März.«
    »Ach, du Scheiße«, sagte Jung. »Da muss ich was kaufen. Danke für den Hinweis … hast du Frühstück gekriegt?«
    »Natürlich«, entgegnete Moreno lachend. »Sowohl als auch.«
    Jung überlegte eine Weile, was das wohl zu bedeuten hätte. Dann wandte er sich wieder den Listen mit eingegangenen Hinweisen zu.
    »Dieser Melgarves«, sagte er. »Ich begreife nicht, wieso der hier gelandet ist.«
    »André Melgarves?«
    »Ja, natürlich. Das ist doch einer aus der Gruppe. Er hat angerufen, um irgendwas mitzuteilen, und dann ist er unter all den anderen gelandet … Krause muss da versagt haben.«
    »Sieht ihm gar nicht ähnlich«, sagte Moreno.
    Sie kam quer durch den Raum heran und las über Jungs Schulter die kurzen Notizen mit. Zog die Stirn kraus und kaute auf dem Bleistift, den sie in

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