Die Frau mit dem roten Herzen
Handlung endlos ausschmückten und mit klassischen Anspielungen würzten.
»Er hatte zunächst Vorbehalte gegen diese Aufgabe, und ich habe zu ihm gesagt: Unter normalen Umständen würde ich dir ja auch raten, diese Gangster zu meiden wie die Pest, aber wenn Oberinspektor Chen dich in den Kampf schickt, dann mußt du mit ihm durch Feuer und Wasser gehen. Er hat schließlich mehr zu verlieren als du. Es ist eine echte Schande, daß im Bund-Park das Opfer eines Triaden-Mords gefunden wurde. Wenn mehr Parteikader so aufrichtig wären wie Chen, dann säßen wir jetzt nicht so dick in der Tinte.‹«
»Yu und ich, wir sind Freunde. Er ist wesentlich praktischer und realistischer als ich. Er fehlt mir richtig, jetzt, wo er in Fujian ist.«
»Alles geht den Bach runter! Das Monster der Korruption macht sich im ganzen Land breit. Die guten Leute haben kein Zutrauen mehr. In der heutigen Gesellschaft kann man auf zweierlei Weise etwas erreichen – auf dem krummen oder auf dem geraden Weg. Früher bin ich auf den Märkten Streife gegangen, aber jetzt ist alles in der Hand der Gangster, alles läuft auf die krumme Tour. Erinnern Sie sich an Jiao, die Teigtäschchen verkaufte und ihre tragbare Küche auf den Schultern transportierte?«
»Ja, sie stand immer am Eingang der Qinghe-Gasse. Sie hat uns manchmal geholfen. Was ist mit ihr?«
»Genau, der Platz war günstig fürs Geschäft. Andere wollten sie von dort vertreiben. Eines Nachts wurde ihre Küchenausrüstung demoliert. Die Polizei aus ihrem Viertel konnte nichts machen. Sie hätten keinerlei Hinweise, das war alles, was sie mir sagen konnten. Und in einigen neuen Geschäftszweigen machen sich diese üblen Elemente noch unverfrorener breit. Nehmen Sie nur diese Karaoke-Mädchen in den Separees. Da ist wirklich Geld zu machen. Fünfhundert Yuan für eine Stunde am späten Abend, zur Hauptgeschäftszeit. Ganz zu schweigen von Trinkgeldern und anderen Extras. Die Club-Besitzer pflegen gute Beziehungen zu uns, weil wir ihnen sonst das Leben schwermachen können. Aber noch bessere Beziehungen haben sie zu den Banden, ohne die geht nämlich überhaupt nichts. Die Mädels enden mit einem Messer im Rücken, oder die Räume werden demoliert, oder der Besitzer wird entführt …«
Die Ausführungen des Alten Jägers wurden von der Bedienung unterbrochen, die auf einem Lacktablett eine exquisite weiße Teekanne und einen einzelnen Becher brachte, aus dessen Plastikdeckel ein extra dicker Trinkhalm ragte.
Der Bergnebeltee schien gut zu sein. Chen erkannte das an der zartgrünen Farbe in der weißen Schale. Er selbst sog einen Schluck Blubbertee durch den dicken Halm. Eine klebrige Kugel rollte auf seine Zunge. Sie hatte die Größe einer kleinen Murmel, schmeckte aber angenehm nach Milch und fühlte sich weich, glitschig, ja fast sinnlich an. War das richtiger Tee?
Womöglich war er genauso hoffnungslos hinter seiner Zeit zurück wie der Alte Jäger, der ein Teeblättchen zurück in die Tasse spuckte, bevor er fortfuhr: »Wie kann die Welt so aus den Fugen geraten? Da müssen doch einige unserer leitenden Kader ihre schmutzigen Finger im Spiel haben, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Die kriegen Geld von den Gangstern und decken sie. Haben Sie schon von der Sache mit Parteisekretär Lis Schwager gehört?«
»Nein, noch nicht.«
»Also, dieser Schwager hat in der Hengshan Lu, dem Diamantenviertel, eine Bar eröffnet und macht ein Bombengeschäft. Wie er die Lizenz und den Mietvertrag bekommen hat, fragt man besser nicht. Eines Tages jedenfalls hat jemand zu viel getrunken, einen Tisch zertrümmert und ihm eine gescheuert. Am nächsten Tag kam der Trunkenbold zurück, ist auf der Türschwelle niedergekniet und hat sich selbst hundertmal ins Gesicht geschlagen. Und warum? Meines Erachtens stecken da die Blauen dahinter. Diese Triade hat in unserer Stadt mehr Einfluß als die Regierung. Wenn die Rauschkugel sich geweigert hätte, wäre seine gesamte Familie umgebracht worden. Danach hat es in der Bar nie wieder Ärger gegeben.«
»Es könnte auch Li gegolten haben«, sagte Chen zögerlich, denn er kannte die Abneigung des Alten Jägers gegen Li. Die beiden waren gleichzeitig in den Polizeidienst eingetreten. Der eine machte ausschließlich Polizeiarbeit, der andere ausschließlich Politik. Dreißig Jahre später war die Kluft zwischen ihnen gewaltig. »Trotzdem muß Li nicht unbedingt persönlich involviert sein.«
»Möglich«, sagte der Alte Jäger, »aber man weiß
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