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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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standen zwei große Schriftzeichen in schwungvoller Kalligraphie: »Alter Ma«, was auch »Altes Pferd« bedeuten konnte.
    »Interessanter Name für eine Kräuterapotheke«, bemerkte sie.
    »Es gibt ein chinesisches Sprichwort: ›Ein altes Pferd kennt den Weg.‹ Alt steht in diesem Fall für erfahren. Herr Ma weiß, was er tut. Er ist kein Arzt oder Apotheker im gewöhnlichen Sinn.«
    Eine ältere Frau im langen weißen Kittel kam mit strahlendem Lächeln auf sie zu. »Wie geht es Ihnen, Genosse Oberinspektor Chen?«
    »Gut. Danke der Nachfrage, Frau Ma. Das ist Catherine Rohn, eine amerikanische Bekannte von mir«, stellte Chen die beiden vor, während sie einen großen Raum betraten, der wie ein Büro eingerichtet war. An den geweißelten Wänden standen große Eichenschränke mit unzähligen winzigen Schubladen, von denen jede mit einem Etikett versehen war.
    »Welcher Wind hat Sie denn hierhergetrieben, Chen?« Herr Ma war ein weißhaariger Mann mit weißem Bart und silbergerahmter Brille. Um das Handgelenk trug er eine Kette aus geschnitzten Holzperlen. Er erhob sich aus seinem Lehnstuhl.
    »Heute ist dieser Wind meine Bekannte Catherine, ein Wind, vom anderen Ufer des Ozeans. Wie gehen die Geschäfte, Herr Ma?«
    »Nicht schlecht, und das verdanke ich Ihnen. Was fehlt Ihrer Bekannten?«
    »Sie hat sich den Knöchel verstaucht«, erklärte Chen.
    »Das werde ich mir gleich einmal ansehen.«
    Catherine schlüpfte aus den Schuhen und ließ ihren Knöchel untersuchen. Der Griff des alten Mannes bereitete ihr Schmerzen, und sie bezweifelte, ob er ohne Röntgenaufnahme etwas feststellen konnte.
    »Äußerlich ist nichts zu sehen, aber man weiß nie. Ich werde eine Salbe auftragen, die Sie nach zwei bis drei Stunden wieder entfernen sollten. Und erschrecken Sie nicht, wenn die innere Verletzung an die Oberfläche kommt.«
    Die Salbe, mit der Herr Ma die schmerzenden Stellen bestrich, war gelb und klebrig und fühlte sich kühl an auf der Haut. Anschließend umwickelte Frau Ma den Fuß mit weißem Verbandsmull.
    »Außerdem fühlt sie sich manchmal schwindlig«, sagte Chen. »Sie hat eine lange Reise hinter sich und konnte sich seit ihrer Ankunft nicht richtig ausruhen. Vielleicht könnte ein Kräutersud ihr neue Kraft geben.«
    »Zeigen Sie mir bitte Ihre Zunge.« Herr Ma betrachtete ihre Zunge und fühlte ihr mehrere Minuten lang mit geschlossenen Augen den Puls. Er wirkte wie in Meditation versunken. »Das ist nichts Ernstes. Das Yang überwiegt etwas. Vielleicht geht Ihnen zu viel im Kopf herum. Ich werde Ihnen ein Rezept schreiben. Ein paar Kräuter zum Ausgleich und zur besseren Durchblutung.«
    »Das klingt sehr gut«, sagte Chen.
    Herr Ma ließ seinen Stinktierhaarpinsel über ein Stück Reispapier fliegen und reichte das Rezept seiner Frau. »Nimm die frischesten Kräuter, die wir haben.«
    »Das mußt du mir nicht extra sagen, Alter. Ein Freund von Oberinspektor Chen ist auch unser Freund.« Frau Ma begann, Kräuter aus verschiedenen Schublädchen abzuwiegen: eine Prise eines schneeweißen Pulvers, ein anderes von der Farbe getrockneter Blütenblätter und eine Handvoll roter Körner, die wie Rosinen aussahen. »Wo wohnen Sie, Catherine?«
    »Im Hotel Peace.«
    »In einem Hotel kann man schlecht chinesischen Kräutersud zubereiten. Dazu braucht man einen speziellen Tontopf, in dem die Zutaten lange köcheln müssen. Am besten wir bereiten die Arznei hier zu und lassen sie mit einem Boten ins Hotel bringen.«
    »Da hast du recht, Alte.« Herr Ma strich sich zustimmend den Bart.
    »Vielen Dank«, sagte Catherine. »Das ist sehr nett von Ihnen.«
    »Ja, vielen Dank, Herr Ma«, sagte Chen. »Da fällt mir ein, haben Sie vielleicht Bücher über Triaden oder Geheimgesellschaften in China?«
    »Lassen Sie mich mal nachsehen.« Herr Ma stand auf, verschwand im Nebenzimmer und kam gleich darauf mit einer dicken Schwarte zurück. »Das können Sie behalten. Ich betreibe keinen Buchhandel mehr.«
    »Nein, ich werde es zurückbringen. Sie haben mir einen Gang in die Bibliothek erspart.«
    »Es freut mich, wenn meine staubigen Bücher noch zu etwas nütze sind, Oberinspektor Chen. Wir tun Ihnen jeden Gefallen, nach allem …«
    »Sagen Sie das nicht, Herr Ma«, unterbrach ihn Chen. »Sonst kann ich mich nicht mehr hierherwagen.«
    »Sie haben so viele Bücher, Herr Ma, und nicht nur medizinische.« Catherine hatte der kurzen Unterhaltung zwischen den beiden Männern mit Interesse gelauscht.
    »Tja, früher haben meine

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