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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Frau und ich ein Antiquariat betrieben. Aber dank der Shanghaier Polizei«, fuhr Herr Ma mit unverhohlenem Sarkasmus fort und zwirbelte seinen Bart, »betreiben wir jetzt diese Kräuterapotheke.«
    »Aber unser Geschäft läuft nicht schlecht«, unterbrach Frau Ma ihn rasch. »Manchmal behandeln wir bis zu fünfzig Patienten am Tag. Sie kommen aus allen Schichten. Wir können uns nicht beklagen.«
    »Fünfzig am Tag? Das ist eine Menge für eine Kräuterapotheke, die von der staatlichen Krankenversicherung nicht anerkannt wird.« Chen wandte sich mit neuem Interesse an Herrn Ma. »Was sind denn das für Patienten?«
    »Die Leute kommen mit den unterschiedlichsten Beschwerden; manche, weil die staatlichen Hospitäler ihnen nicht helfen können, andere, weil sie sich mit ihrem Problem dort nicht hintrauen. Verletzungen bei Auseinandersetzungen zwischen Banden zum Beispiel. Die staatlichen Krankenhäuser würden sofort die Polizei einschalten. Wir haben schon so manchem geholfen.« Herr Ma blickte Chen mit einer Spur von Trotz an. »Ihr Job, Oberinspektor, ist es, sie zu verhaften, falls sie straffällig geworden sind. Zu mir kommen sie als Patienten, also behandle ich sie, wie ein Arzt.«
    »Verstehe, Doktor Schiwago.«
    »Nennen Sie mich nicht so.« Herr Ma wedelte mit der Hand, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »›Wer einmal von einer Schlange gebissen wurde, erschrickt auf ewig beim Anblick eines aufgerollten Seils.‹«
    »Einige dieser Leute sind Ihnen vermutlich sehr dankbar«, sagte Chen.
    »Bei denen weiß man nie. Wie in den Kung-Fu-Romanen reden sie ständig davon, eines Tages ihre Dankesschuld zu begleichen.« Nachdem er sich eine Weile den Bart gestrichen hatte, fügte er hinzu: »Heutzutage sind die zu allem fähig. Ihr langer Arm reicht bis zum Himmel. Ich muß ihnen helfen, andernfalls kann ich hier zusperren.«
    »Ich verstehe das, Herr Ma. Sie brauchen es mir nicht zu erklären. Aber ich muß Sie um einen weiteren Gefallen bitten.«
    »Jederzeit.«
    »Wir sind auf der Suche nach einer schwangeren Frau aus Fujian. Eine dortige Triade, die Fliegenden Äxte, ist ebenfalls hinter ihr her. Sie ist Vorjahren als gebildete Jugendliche dorthin verschickt worden. Falls Sie etwas von ihr hören sollten, dann verständigen Sie mich bitte.«
    »Die Fliegenden Äxte – ich glaube nicht, daß wir mit denen schon mal zu tun hatten. Das hier ist das Gebiet der Blauen. Aber ich kann mich erkundigen.«
    »Sie erweisen uns einen großen Dienst, Herr Ma, oder soll ich sagen Doktor Schiwago?« Chen erhob sich zum Gehen.
    »Dann müßten Sie aber der General sein«, sagte Herr Ma lächelnd.
    Catherine hatte interessiert zugehört, vor allem als von Doktor Schiwago die Rede war. Als Kind hatte ihre Mutter ihr eine Spieluhr mit Lara’s Song geschenkt. Seither gehörte der Roman zu ihren Lieblingsbüchern. Die Tragödie eines aufrechten Intellektuellen in einer repressiven Gesellschaft. Die Sowjetunion war jetzt praktisch am Ende, ganz im Gegensatz zu China. Der Hintergrund dieses Gesprächs faszinierte sie. Er erschien ihr wie ein traditionelles chinesisches Rollbild, in dem eine leere Fläche mehr Bedeutung haben konnte als alles, was darauf abgebildet war.
    Es war kurz vor sechs, als sie ins Hotel zurückkehrten. Sie hörte, wie Chen den Kleinen Zhou wegschickte. »Warten Sie nicht auf mich. Ich fahre mit dem Taxi nach Hause.«
    In ihrem Zimmer hatte das Mädchen bereits alles für die Nacht vorbereitet. Das Bett war aufgeschlagen, das Fenster geschlossen, und die Vorhänge waren zugezogen. Neben dem Kristallaschenbecher auf dem Nachttisch lag eine Packung Virginia Slims; ein importierter Luxusartikel, wie er ihrem Status als Staatsgast entsprach. Als Chen sie zum Sofa führte, sagte sie: »Vielen Dank, Oberinspektor Chen, für alles, was Sie getan haben.«
    »Aber das ist doch nicht der Rede wert. Wie fühlen Sie sich jetzt?«
    »Es geht schon viel besser. Herr Ma ist wirklich ein guter Arzt.« Sie bedeutete ihm, sich neben sie aufs Sofa zu setzen. »Warum haben Sie ihn Doktor Schiwago genannt?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Wir haben doch jetzt Feierabend, nicht wahr? Also bitte, erzählen Sie.«
    »Aber es wird Sie vermutlich gar nicht interessieren.«
    »Immerhin habe ich im Hauptfach Sinologie studiert. Ich kann mir nichts Spannenderes vorstellen als die Geschichte eines Doktor Schiwago in China.«
    »Sie sollten sich lieber ausruhen, Inspektor Rohn.«
    »Parteisekretär Li hat Ihnen doch

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