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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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hinter ihm stand. Die Leute munkelten bereits über die Möglichkeit, daß er Nachfolger des Parteisekretärs werden könnte, doch inzwischen war er sich nicht mehr so sicher, ob das eine erstrebenswerte Position war.
    Inspektor Rohn nahm seinen Vorschlag für das Tagesprogramm gelassen. Vielleicht hatte auch sie begriffen, daß weitere Nachforschungen in Shanghai sinnlos waren. Sie verabredeten sich im Moscow Suburb zum Mittagessen.
    »Ein russisches Lokal?«
    »Ich möchte Ihnen zeigen, wie rasant sich unsere Stadt verändert«, sagte er. Außerdem wollte er seinem Freund Lu zu ein wenig Umsatz verhelfen.
    Vor dem Essen hatte er sich eigentlich noch mit dem Alten Jäger treffen wollen, aber das würde er nicht mehr schaffen. Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, brachte ihm ein Expreßkurier einen Umschlag. Die Kassette, die Yu ihm schickte, trug die Aufschrift: »Gespräch mit Zheng Shiming.« Das hatte Vorrang. Mit einem feuchten Handtuch um den Kopf ließ er sich auf dem Sofa nieder und spielte das Band ab. Als es zu Ende war, spulte er noch einmal zurück zu der Stelle, wo Zheng über Fengs Abkommen mit den amerikanischen Behörden berichtete. Beim nochmaligen Anhören machte er sich rasch eine Notiz und fragte sich, warum Yu dieser Punkt nicht aufgefallen war.
    Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, daß er Yu das jetzt nicht mehr fragen konnte. Er mußte sich beeilen.
     
    Restaurantbesitzer Lu, stattlich im anthrazitgrauen Dreiteiler und mit scharlachroter Krawatte, die von einer diamantgeschmückten Nadel gehalten wurde, erwartete sie schon vor dem Moscow Suburb.
    »Du bist ja ewig nicht hiergewesen, mein Lieber. Welcher gute Wind treibt dich heute zu uns?«
    »Darf ich dir Inspektor Catherine Rohn vorstellen, eine Freundin aus Amerika. Catherine, das ist Auslandschinese Lu.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Herr Lu«, sagte sie auf chinesisch.
    »Herzlich willkommen. Die Freunde von Oberinspektor Chen sind auch meine Freunde.« erklärte Lu. »Ich habe ein Separee reserviert.«
    Dieser besondere Service war auch nötig, denn der Speisesaal war brechend voll, und unter den Gästen befanden sich auch einige Ausländer, die sich englisch unterhielten. Eine russische Bedienung führte sie in ein geschmackvoll ausgestattetes Zimmer, wobei ihre schmale Taille sich bog wie eine Weide im Wind. Das Tischtuch leuchtete schneeweiß, Gläser glitzerten neben auf Hochglanz polierten Leuchtern, und das exquisite Silberbesteck hätte aus dem Winterpalast stammen können. Die Bedienung nahm reglos neben ihrem Tisch Aufstellung.
    Lu gab ihr ein Zeichen zu gehen. »Komm später noch einmal, Anna. Ich muß erst mal mit meinem Freund hier plaudern.«
    »Wie gehen die Geschäfte?« erkundigte sich Chen.
    »Gar nicht schlecht«, strahlte Lu. »Wir haben uns einen Ruf für authentische russische Küche und echte russische Mädel erworben.«
    »Gleich für beides!«
    »Genau. Und deshalb rennen uns die Leute die Türen ein.«
    »Dann bist du jetzt also ein typischer erfolgreicher Auslandschinese«, bemerkte Chen. »Übrigens bin ich dir sehr dankbar, daß du dich so um meine Mutter kümmerst.«
    »Ist doch selbstverständlich. Sie ist mir wie die eigene Mutter. Und außerdem fühlt sie sich ein bißchen einsam.«
    »Ich weiß, deshalb wollte ich ja, daß sie zu mir zieht, aber sie sagt, sie sei so an ihr Dachkämmerchen gewöhnt.«
    »Sie will, daß du die Zwei-Zimmer-Wohnung für dich hast.«
    Chen wußte, worauf Lu hinauswollte, aber das war ein Punkt, den er nicht in Inspektor Rohns Gegenwart diskutieren mochte. Statt dessen sagte er: »Ich fühle mich ja auch sehr privilegiert, daß ich so viel Platz für mich allein habe.«
    »Weißt du, was Ruru immer sagt? ›Oberinspektor Chen gehört zu einer aussterbenden Art.‹ Und warum? Weil jemand in deiner Position normalerweise schon längst von einem dieser Senkrechtstarter den Schlüssel zur Vier-Zimmer-Wohnung überreicht bekommen hätte«, sagte Lu kichernd. »Nimm’s ihr nicht übel, Junge. Sie kocht großartige Suppen, aber kapiert nicht, was für ein aufrechter Polizist du bist. Übrigens, Gu Haiguang vom Dynasty Karaoke Club war gestern hier. Er hat von dir gesprochen.«
    »Na so was! Glaubst du, daß er zufällig vorbeikam?«
    »Keine Ahnung. Er war früher schon einmal hier, aber gestern hat er sich nach dir erkundigt. Ich habe ihm erzählt, daß du mir damals in den Sattel geholfen hast. Das war, wie wenn man einem armen Freund im tiefsten Winter Holzkohle

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