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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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heiße Huang Ying, das bedeutet Goldamsel.«
    »Was für ein hübscher Name!«
    »Wir führen keine primitiven Fälschungen, nur erste Qualität. Wir erhalten unsere Ware direkt von den Herstellerfirmen über inoffizielle Kanäle.«
    »Wie geht denn das?« fragte Catherine und griff nach einer schwarzen Handtasche, die das Etikett eines teuren italienischen Designers trug.
    »Viele von ihnen betreiben Joint-ventures in Hongkong oder Taiwan. Nehmen wir diese Tasche hier. Es sind zweitausend Stück bestellt worden. Die Fabrik in Taiwan hat aber dreitausend hergestellt. In identischer Qualität, versteht sich. Und wir bekommen die tausend restlichen direkt von der Fabrik, für weniger als zwanzig Dollar.«
    »Die ist echt«, sagte Catherine nach eingehender Begutachtung.
    Chen konnte daran nichts Besonderes entdecken – abgesehen vom Preis auf dem kleinen Schildchen, der ihm astronomisch erschien. Als er ihr die Tasche zurückgab, sah er auf einem Edelstahl-Kleiderständer in der Ecke eine Reihe farbenfroher Kleidungsstücke hängen. Auch deren Preise kamen ihm unerhört hoch vor.
    Hier gab es einen roten Samtvorhang, der neben dem Hintereingang eine Umkleidekabine abteilte, ausgestattet mit gepolsterter Sitzgelegenheit. Dieser Laden führte offenbar bessere Qualität – zumindest konnten die Kunden hier ungestört anprobieren.
    »Schauen Sie sich diese Armbanduhren an.« Goldamsel brachte einen kleinen Schaukasten. »Die Uhrenkollektion dieser Firma ist weitgehend unbekannt. Uninteressant also.
    Das kommt, weil sie in Taiwan hergestellt und hier verkauft wird.«
    »Hat die Regierung denn nicht versucht, diesen Markt zu schließen?« sagte Catherine zu Chen.
    »Von Zeit zu Zeit gehen Kontrolleure hier durch«, sagte Goldamsel leichthin, »aber da findet sich immer ein Weg. Er nimmt sich zum Beispiel zehn T-Shirts und sagt: ›Ich habe bei Ihren fünf T-Shirts beschlagnahmt, stimmt’s?‹ Und du sagst: ›Fünf, das ist korrekt.‹ Und statt dich anzuzeigen, gibt er offiziell fünf ab, fünf steckt er selber ein und läßt dich dafür laufen.«
    »Und weiter ist hier nichts unternommen worden?« Oberinspektor Chen wurde das Ganze allmählich peinlich.
    »Manchmal kommen Polizisten. Letzten Monat haben sie den Laden des Kahlen Zhang am Ende der Straße durchsucht und ihn für zwei Jahre verknackt. Das hier kann ganz schön gefährlich sein.«
    »Wenn es so gefährlich ist, warum tun Sie es dann«, fragte Chen.
    »Was soll ich sonst tun?« erwiderte Goldamsel bitter. »Meine Eltern haben ihr Leben lang in der Textilfabrik Nummer Sechs gearbeitet. Letztes Jahr wurde sie stillgelegt. Ihre eiserne Reisschüssel ist zerbrochen. Die Vergünstigungen des sozialistischen Systems sind beim Teufel. Jetzt stehen sie ohne Alterssicherung da. Ich muß die Familie ernähren.«
    »Ihr Laden muß einiges abwerfen«, bemerkte Chen.
    »Der Laden gehört nicht mir, aber ich kann mit meinem Verdienst zufrieden sein.«
    »Trotzdem ist das hier keine Arbeit für …«, erließ den Satz unbeendet. Wer war er, daß er sich herablassend oder mitleidig gab? Vermutlich verdiente Goldamsel mehr als ein Oberinspektor. In den frühen Neunzigern war nichts wichtiger als Geld verdienen. Und dennoch war das hier kein Arbeitsplatz für ein junges Mädchen.
    Catherine hatte sich in das Uhrenangebot vertieft. Sie probierte verschiedene, um zu sehen, wie sie an ihrem Handgelenk wirkten. Es würde noch ein Weilchen dauern, bis sie sich entschieden hatte. Wie lange wohl, fragte er sich. Regen trommelte gegen den teilweise heruntergelassenen Aluminiumrollladen.
    Als er hinaussah, blieb sein Blick an einem Mann hängen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite in sein Handy tippte und in seine Richtung starrte.
    Dasselbe hellgrüne Handy.
    Es war der Mann, der am Mittag die Aufnahmen vor dem Moscow Suburb für sie gemacht hatte und der sie schon eine Viertelstunde zuvor bei der Boutique beobachtet hatte.
    Er wandte sich an Goldamsel und sagte: »Können Sie den Vorhang vor die Umkleidekabine ziehen? Mir gefällt dieser schwarze Slip, der von Christian Dior.« Er nahm das Höschen vom Kleiderständer und drückte es Catherine in die Hand. »Würden Sie das einmal anprobieren?«
    »Wie bitte?« Sie starrte Chen entgeistert an und registrierte den Druck seiner Hand.
    »Ich zahle Ihnen den Preis auf dem Preisschild, Goldamsel«, sagte er und reichte der Verkäuferin mehrere Scheine. »Ich würde gern sehen, wie er ihr steht. Es kann eine Weile

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