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Die Frau mit dem roten Tuch

Die Frau mit dem roten Tuch

Titel: Die Frau mit dem roten Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Garder
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bekommen?
     
    Dann geschieht etwas Eigenartiges, das im Film nicht möglich wäre, im Traum aber sehr wohl: Jeff und Hassan bewegen sich. Sie blinzeln mit den Augen. Und jetzt? Jetzt lösen sich der Staub und Ruß um die Erde auf, und ich sehe den dunkelblauen Atlantik unter mir. Weit oben bewegen wir uns auf die afrikanische Westküste zu …
     
    Dann wache ich auf und kann nicht begreifen, dass dies alles nur ein Traum gewesen sein soll. Das Merkwürdigste waren Jeff und Hassan, die so lebendig schienen und so echt und doch keinerlei Ähnlichkeit mit irgendjemandem hatten, dem ich im wirklichen Leben begegnet bin. Was mir bleibt, ist der Zauber der Erkenntnis, dass es parallele Wirklichkeiten geben muss und Seelenreisen tatsächlich möglich sind.
    Draußen schwebt noch immer der Nebel zwischen den Bergen. Trotzdem habe ich einen guten Blick auf den Fjord.
    Ich gehe nach unten und frühstücke, noch immer total versunken in meinen Traum. Dann gehe ich mit einer randvollen Kaffeetasse hinaus auf die Veranda.
    Und da stehst du!!!

6
     
    Ja, da stehe ich. Und nun geht dir vielleicht auf, dass es ein hellsichtiger Traum war, den du hattest?
     
    Naja …
     
    Machst du etwas Besonderes?
     
    Nein. Wieso?
     
    Hast du heute Abend etwas vor, meine ich.
     
    Nein, im Gegenteil. Berit ist eben mit ihrer Schwester ins Theater aufgebrochen.
     
    Dann finde ich, wir sollten weitermachen. Niels Petter ist mit Freunden zum Bridge, wir haben also den ganzen Abend für uns. Es ist so schön, hier zu sitzen und über die Stadt zu blicken. Aber ich finde keine Ruhe …
    Und du? Wo sitzt du?
     
    Ich sitze zu Hause, in meinem kleinen Arbeitszimmer im ersten Stock. Auch mein Schreibtisch steht vor einem Fenster mit Blick auf die Stadt. Die Dunkelheit senkt sich jetzt langsam über Oslo, und die Lichter der Stadt werden schärfer. Auch die Lichter von Ekeberg und Nesodden kann ich von hier aus sehen.
     
    Ich schaue auf den Hafen und die Schlosskirche, und im Hintergrund erkenne ich die Johanneskirche. Dann sehe ich die Feuerwache und das Rathaus vor dem Lille Lungegårdsvann.
    Aber da stand ich, schreibst du, und da ging dir vielleicht auf, dass es ein hellsichtiger Traum war, den du gehabt hattest.
     
    Nein, anders: Schon am Abend zuvor, als ich im Hotel ankam, hatte ich das Gefühl, dir jederzeit im Kaminzimmer oder im Speisesaal begegnen zu können. Jede Stufe auf der Treppe zu den Gastzimmern hatte mich an dich erinnert, jedes Bild an der Wand, jeder Wandteppich, auch die alte Telefonzelle, weißt du noch? Anders ausgedrückt: Was ich bei meiner Ankunft im alten Hotel Mundal am allerklarsten gesehen habe, war, dass du nicht dort warst. Überall, wo ich war, warst du – nicht. Kein Wunder, dass ich von der Zeit geträumt habe, in der wir zusammen waren. Das Verblüffende war erst, dich plötzlich draußen auf der Veranda zu sehen. Das war es, was ich als gewaltigen Zufall bezeichnet habe. Dass du dort warst, war nicht der Grund dafür, dass ich von dir geträumt hatte.
     
    Nicht? Die ganze Nacht, in der du um den verbrannten Planeten gekreist bist, lag ich ganz in deiner Nähe in einem Bett und schlief. Findest du es vor dem Hintergrund all dessen, was du in der Nacht geträumt hast, nicht wahrscheinlicher,dass es eine Art Osmose zwischen unseren Gemütern gegeben hat? Wusstest du, dass man für Telepathie und Hellseherei empfänglicher ist, wenn man sich in der sogenannten REM-Phase befindet, also träumt? Es gibt sogar einen Fachausdruck dafür: paranormale Träume . Es gibt einiges an experimenteller Forschung dazu, aber auch anthropologisches Material, das in dieselbe Richtung weist. Kennst du die isländische Sippensaga von Gunnlaug Schlangenzunge? Wenn nicht, erinnerst du dich sicher an Josefs Träume im erste Buch Mose. All diese Träume waren auf typische Weise hellsichtig oder präkognitiv.
     
    Die Saga von Helga, Gunnlaug und Hrafn hat meine Mutter mir vorgelesen, als ich noch klein war. Du hast doch sicher nicht vergessen, dass ich in Island geboren bin? Die Frage ist immer nur, wie viel Literarisches in solchen Träumen steckt. Immerhin kann ich dir insoweit zustimmen, dass es fast überall auf der Welt zu Zeiten üblich war, Träume so zu deuten, dass sie eine Aussage über die Zukunft machten.
     
    Dein eigener Traum hatte jedenfalls alle charakteristischen Merkmale dessen, was ich als einen hellsichtigen Traum bezeichnen würde. Es war ein typischer Offenbarungstraum. Stimmst du mir nicht zu, dass er

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