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Die Frau mit dem roten Tuch

Die Frau mit dem roten Tuch

Titel: Die Frau mit dem roten Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Garder
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ungeheuer verdichtet und inhaltsschwer war?
     
    Doch, da stimme ich dir zu. Ich habe dir ja schon oben bei der verfallenen Berghütte erzählt, dass ich einen ungewöhnlich intensiven Traum gehabt hatte, und es war natürlich witzig, nur wenige Stunden, nachdem ich daraus erwacht war, mit dir den alten Weg zu gehen. Oder sollte ich sagen, nur wenige Stunden, nachdem du mich aus dem Weltraum auf die Erde zurückgeholt hattest? Für mich hat dieser Traum sehr viel darüber ausgesagt, wie unsere Jahre in mir lebendig geblieben sind und mich noch immer prägen. Vielleicht habe ich tief in mir sogar das Gefühl, seit dieser Zeit in einer Art Umlaufbahn gewesen zu sein, irgendwo weit draußen, außerhalb des Lebens, das nach uns kam. Aber die meisten Träume werden wahrscheinlich von Dingen gespeist, die man am Vortag erlebt hat – vergiss nicht, da war ich von morgens bis abends in einer in Nebel gehüllten Landschaft unterwegs gewesen.
     
    Dennoch war es zugleich ein beängstigender und albdruckhafter Traum. Es ist, als dürstestest du nach etwas, das du glauben kannst. Die Vorstellung, das einzige Bewusstsein im Universum zu sein, fleht doch geradezu um Widerspruch. Ich meine: Du bittest dich selbst darum, dass diese falsche Vorstellung abgewiesen wird. Wir sind mehr, Steinn, mehr Seelen im Universum, meine ich. Ich glaube, wir sind eine ganze Myriade von Geistern. Wie viele, weiß ich natürlich nicht, aber ich glaube, wir sind fast unendlich viele, ungefähr so, wie es an einem Sommertag unendlich viele Sonnenflecken auf der Meeresoberfläche gibt.
     
    Tut mir leid, Solrun, aber dahin kann ich dir nicht mehr folgen. Kannst du mir das verzeihen?
     
    Ich kann sogar mehr als verzeihen. Ich kann souveräne Nachsicht walten lassen. Du meinst offenbar, dass die Materie den Geist überleben wird, auch das ging ja aus deinem Traum hervor: dass dieses ganze monströse Universum eines Tages wie überflüssiger Schrott von uns zurückgelassen werdenwird. Ich glaube das genaue Gegenteil! Unsere Seelen werden den materiellen Schlamm überleben, ganz sicher. Denn in einer Hinsicht sind wir uns ja wohl einig, nämlich dass alle Natur irgendwann in Auflösung übergehen wird.
     
    Leider, ja. Das ist eine unvermeidliche Folge des zweiten Gesetzes der Thermodynamik.
     
    Aber es gibt kein entsprechendes Prinzip, das besagt, der Zahn der Zeit könne in dem, was aus Geist ist, auch nur einen einzigen Kratzer hinterlassen.
     
    Wenn wir eine freie Seele haben, die den Tod des Körpers überlebt. Ich glaube, ich verstehe, was du meinst.
     
    Stell dir vor, dass du einen Waldspaziergang machst. Du gehst über einen Weg, den du seit einigen Wochen nicht mehr betreten hast, und plötzlich stehst du vor einer nagelneuen Holzhütte, die du noch nie zuvor gesehen hast. Es ist an sich schon bemerkenswert, dass dort plötzlich eine Hütte auftaucht, aber während du dort stehst und sie dir ansiehst, geht auch noch die Tür auf und es tritt ein lächelnder Mann mit strahlend blauen Augen und leuchtend weißen Zähnen heraus, ein fertiges, vollendetes Lebewesen. Und er macht eine tiefe Verbeugung. Guten Tag, guten Tag, sagt er. Die Szene ist surrealistisch, mysteriös.
    Die Frage ist nun: Was ist passiert? Hat sich die Hütte zuerst selbst aus einigen Bäumen im Wald gezimmert und dann den Mann erschaffen, damit er sie beseelt? Oder war esumgekehrt, hat der Mann zuerst die Hütte gezimmert und ist dann dort eingezogen?
     
    Ich frage, was du für plausibler hältst: dass, was zuerst da war, aus Geist bestand oder aus Materie? In deinem Reisebericht bist du ja zu dem Schluss gekommen, dass du einen Zusammenhang zwischen einem Bewusstsein und dem ahnst, was im ersten Bruchteil einer Mikrosekunde des Universums geschehen ist. Jetzt frage ich, was deiner Ansicht nach zuerst da war: dieses Bewusstsein oder die gewaltige Energie, die sich im Laufe der ersten Sekunde des Universums entladen und materialisiert hat.
    Hast du nicht sogar dafür argumentiert, dass etwas hinter oder außerhalb von Zeit und Raum gewesen sein könnte, die durch den Urknall erst hervorgebracht wurden? Das waren deine Worte. Ist es so gesehen nicht fast ein Witz, den Big Bang als Anfang aller Dinge auszugeben? Ich sage, was wir als den größten Zaubertrick der Welt kennen, kann ebenso gut ein geregelter Übergang von einem Zustand in einen anderen gewesen sein.
     
    Ich weiß nicht. Nein, jetzt weiß ich es nicht mehr. Wir wissen im Grunde nichts.
     
    Im Traum warst du

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