Die Frau mit dem roten Tuch
die Gipfel des Himalaya ragen aus dem schwarzen atomaren Winter heraus. Ich rufe: »Houston! Houston!« Aber ich weiß, dass es sinnlos ist. Das Funkgerät ist tot. Der Asteroid, dem ich den Weg abschneiden sollte, hat vermutlich die gesamte Menschheit und wahrscheinlich alle Wirbeltiere vernichtet, in jedem Fall die an Land.
Ich kreise weiter um den verbrannten Planeten und denke zurück an das, was geschehen ist. Wieder einmal hat ein Asteroideneinschlag fast alles Leben zerstört, genau wie beim Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär oder vom Perm zur Trias. Beim letzten Mal wurden die Dinosaurier ausgerottet. Diesmal ist vielleicht kein einziges Säugetier übriggeblieben. Und es ist meine Schuld. Nur ich kann für das verantwortlich gemacht werden, was geschehen ist.
Der riesige Asteroid hatte einen Durchmesser von vielen Kilometern und war schon lange auf Kollisionskurs mit der Erde. Die UN berief einen Krisenstab ein, und zum ersten Mal in der Geschichte arbeiteten alle Nationen zusammen, um den Planeten vor dem Untergang zu retten.
Man hatte alles sorgfältig geplant und ein bemanntes Raumschiff mit einer großen Atomsprengladung in den Weltraum geschickt. Es konnte nur ein Himmelfahrtskommando werden. Zusammen mit Hassan und Jeff hatte ich mich freiwillig gemeldet. Die Bombe sollte detonieren, wenn sie sich dem Asteroiden näherte, aber weit genug entfernt, dass er nicht in kleine Stücke gesprengt werden würde. Wir sollten ihn nur auf einen anderen Kurs bringen, damit er die Erde weit genug verfehlte.
Bei der letzten Konferenz, bevor wir hinaufgeschossen wurden, lag die Chance, dass der Asteroid die Erde treffen würde, bei 99 Prozent. Wir brauchten die Bombe natürlich nicht selbst zu zünden, das erledigte der Computer. Wir sollten nur festen Kurs auf das feindliche Objekt halten, dann würde die Bombe in genau der richtigen Entfernung explodieren. Unser Auftrag war also leicht.
Wir waren drei unter vielen Hundert Astronauten, die sich freiwillig zu dem Einsatz gemeldet hatten. Es war ein langes Auswahlverfahren gewesen, unsere physische und psychische Belastbarkeit war getestet worden, aber die allerletzte Entscheidung war per Los gefallen.
Auf diese Weise sollten alle, die in Frage kamen, eine faire Chance haben, verschont zu bleiben. Es war ein freiwilliger Einsatz, wie gesagt, nur die allerletzte Runde wurde zum russischen Roulette. Aber als wir drei feststanden, ob nun als Gewinner oder Verlierer, waren wir Helden. Wir würden in den Weltraum fliegen und den Planeten vor der Vernichtung retten. Wir waren so stolz, dass es uns getroffen hatte.
Wir sollten den Asteroiden zwischen Mars und Jupiter stellen. Die gesamte Menschheit und vielleicht die gesamte Biosphäre waren von uns abhängig, von unserer Präzision und Besonnenheit.
Und ich hatte versagt. Plötzlich war ich in Panik geraten. In wenigen Minuten hätten wir sterben müssen. Das Letzte, was wir von der Bodenstation hörten, war: »Dann viel Glück, Jungs. Gönnt euch noch einen Schluck. Und danke !«
Aber ich wollte nicht sterben. Ich wollte noch ein wenig leben, und darum brachte ich unser Raumschiff im entscheidenden Augenblick um einige Grade vom Kurs ab. Von da an war es unmöglich, unsere Mission zu erfüllen. Ich weiß noch, wie Hassan und Jeff aufheulten, aber es war zu spät. Ich hatte zu schlecht trainiert. Oder war nicht gut genug getestet worden.
Im Licht der Sonne sahen wir den Asteroiden an uns vorüberjagen. Es war jetzt ganz sicher, dass er die Erde treffen würde, und die Wahrscheinlichkeit, dass die gesamte Menschheit ausgelöscht werden würde, lag, wie gesagt, bei 99 Prozent.
Der Asteroid war riesig. Er hatte eine schreckliche Form. Er erinnerte an das Bild von Magritte. Er würde Zentralasien treffen, aber die Stelle des Einschlags hatte keinerlei Bedeutung, die Kollision wäre für die ganze Erde gleichermaßen fatal.
Ich umkreise einen verbrannten Planeten, aber ich kann die Kontinente nicht erkennen. Ruß und Staub stehen hoch in der Atmosphäre, die davon natürlich schwer beschädigt ist. Ich denke daran zurück, was sich in der Kapsel abgespielt hat.
Ich habe mich geschämt, das weiß ich noch. Hassan und Jeff starrten mich nur wortlos an. Jeff hob die Handflächen, wie man es tut, wenn man versagt hat, und lehnte sich resigniert in den Sitz zurück. Hassan dagegen fing an zu weinen. Ich nahm Jeffs Spott und Hassans abgrundtiefe Trauer wahr. Hassan war gläubiger
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