Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
Vom Netzwerk:
in dem es heißt: "Es mag auch zugegeben werden, daß die Einschreibung die von ihr Betroffenen moralisch noch tiefer sinken läßt " . Die Prostituierten bieten auch alles auf, sich dieser Kontrolle zu entziehen. Eine weitere Folge dieser polizeilichen Maßregeln ist, daß den Prostituierten außerordentlich erschwert, ja unmöglich gemacht wird, wieder zu einem anständigen Erwerb zurückzukehren. Eine der polizeilichen Kontrolle verfallene Frau ist für die Gesellschaft verloren; sie geht meist in wenig Jahren elend zugrunde . Zutreffend und erschöpfend sprach sich der fünfte Kongreß zur Bekämpfung der Unsittlichkeit wider die polizeiliche Regelung der Prostitution zu Genf aus, indem er erklärte: "Die obligatorische ärztliche Untersuchung der Prostituierten ist eine um so grausamere Strafe für die Frau, als sie die ihr gewaltsam unterworfenen Unglücklichen vollends in das Verderben reißt, indem sie den Rest von Schamgefühl zerstört, der noch bei den Verworfensten vorhanden sein kann. Der Staat, der die Prostitution polizeilich regeln will, vergißt, daß er beiden Geschlechtern gleichen Schutz schuldet, er verdirbt moralisch und entwürdigt die Frau. Jedes System offizieller Regelung der Prostitution hat Polizeiwillkür zur Folge, sowie Verletzung gerichtlicher Garantien, die jedem Individuum, selbst dem größten Verbrecher, gegen willkürliche Verhaftung und Einsperrung zugesichert sind. Da diese Rechtsverletzung nur zum Nachteil der Frau geschieht, so folgt daraus eine widernatürliche Ungleichheit zwischen ihr und dem Manne. Die Frau wird zum bloßen Mittel herabgewürdigt und nicht mehr als Person behandelt. Sie steht außerhalb des Gesetzes. "
     
    Wie wenig die polizeiärztliche Kontrolle nützt, dafür liefert England ein schlagendes Beispiel. Vor Beginn der gesetzlichen Reglementierung im Jahre 1867 betrugen die Fälle von geschlechtlichen Infektionskrankheiten beim Militär laut Armeebericht 91 pro 1.000. Im Jahre 1886, also nach neunzehnjährigem Bestand der Reglementierung, 110 pro 1.000, aber im Jahre 1892, sechs Jahre nach Aufhebung der Reglementierung, nur 79 pro 1.000. In der Zivilbevölkerung betrugen in den Jahren 1879 bis 1882 – also während der Reglementierung – die Fälle von Syphilis 10 pro 1.000, in den Jahren 1885 bis 1889, also nach Aufhebung derselben, 8,1 pro 1.000.
     
    Auf die der Untersuchung unterworfenen Prostituierten wirkte aber das Gesetz ganz anders als auf die Truppen: 1866 kamen auf je 1.000 Prostituierte 121 Erkrankungen, 1868, als das Gesetz zwei Jahre bestanden hatte, 202, sie sanken dann allmählich, sie überschritten aber 1874 immer noch um 16 Fälle die Zahl von 1866. Auch die Todesfälle bei den Prostituierten vermehrten sich unter der Herrschaft des Gesetzes erschreckend. 1865 betrugen diese auf 1.000 Prostituierte 9,8 dagegen im Jahre 1874 23. Als gegen Ende der sechziger Jahre die englische Regierung den Versuch machte, die Untersuchungsakte auf alle englischen Städte auszudehnen, erhob sich ein Sturm der Entrüstung in der englischen Frauenwelt. Sie betrachteten das Gesetz als eine Beleidigung für das ganze Geschlecht. Die Habeaskorpusakte, jenes Grundgesetz, hieß es, das den englischen Bürger vor den Übergriffen der Polizei schütze, solle für die Frauen aufgehoben sein; es solle jedem rohen, rachsüchtigen oder von anderen niederen Motiven getriebenen Polizeibeamten gestattet sein, die ehrbarste Frau anzugreifen, wenn er gegen sie den Verdacht habe, eine Prostituierte zu sein, wohingegen die Zügellosigkeit der Männer unbehelligt bleibe, ja durch das Gesetz geschützt und genährt würde.
     
    Obgleich dieses Eintreten der englischen Frauen, unter der Führung der Josephine Butler, für den Auswurf ihres Geschlechts sie Mißdeutungen und herabwürdigenden Bemerkungen beschränkter Männer aussetzte, lehnten sie sich mit großer Energie gegen die Einführung desselben auf. In Zeitungsartikeln und Broschüren wurde das "Für" und "Wider" erörtert und seine Ausdehnung verhindert, dem 1886 die Aufhebung folgte .
     
    Die deutsche Polizei besitzt eine ähnliche Gewalt, und häufige in die Öffentlichkeit gedrungene Fälle aus Berlin, Leipzig, Köln, Hannover und vielen anderen Orten beweisen, daß Mißbrauch oder "Mißverständnisse" leicht sind bei Ausübung dieser Gewalt, aber man vernimmt bei uns wenig von einer energischen Opposition gegen solche Befugnisse . Sogar im kleinbürgerlichen Norwegen wurden 1884 die

Weitere Kostenlose Bücher