Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
mit dem Sortieren und Mahlen von Tabakblättern, dem Baumwolleschlagen, Wolle- und Seidenhaspeln, Bettfedernreinigen, Sortieren von Pinselhaaren, mit Waschen (Schwefeln) der Strohhüte, mit Vulkanisieren und Lösen von Kautschuk, mit Färben und Bedrucken von Zeugstoffen, Bemalen von Bleisoldaten, Einpacken von Schnupftabak; mit dem Anstreichen von Drahtgeweben, dem Belegen von Spiegeln, dem Schleifen von Nähnadeln und Stahlfedern.
Es ist wahrlich kein schöner Anblick, Frauen, sogar im schwangeren Zustand, mit den Männern um die Wette beim Eisenbahnbau schwer beladene Karren fahren zu sehen oder sie als Handlanger Kalk und Zement anmachend oder schwere Lasten Steine tragend beim Hausbau zu beobachten oder beim Kohlen- und Eisensteinwaschen. Dabei wird der Frau alles Weibliche abgestreift und ihre Weiblichkeit mit Füßen getreten, wie umgekehrt unseren Männern in vielen verschiedenen Beschäftigungsarten jedes Männliche genommen wird. Das sind die Folgen der sozialen Ausbeutung und des sozialen Krieges. Unsere korrupten sozialen Zustände stellen die Dinge auf den Kopf.
Es ist begreiflich, daß bei dem Umfang, den die weibliche Arbeit auf allen Gebieten gewerblicher Tätigkeit einnimmt und weiter einzunehmen droht, die interessierte Männerwelt wenig freundlich dazu steht. Unzweifelhaft geht bei dieser Ausdehnung der Frauenarbeit das Familienleben des Arbeiters immer mehr zugrunde, ist Auflösung von Ehe und Familie die natürliche Folge und nehmen Sittenlosigkeit, Demoralisation, Degeneration, Krankheiten aller Art und Kindersterblichkeit in erschreckendem Maße zu. Nach der Bevölkerungsstatistik des Deutschen Reiches hat sich in den Städten, die in den letzten Jahrzehnten echte und rechte Fabrikstädte wurden, die Kindersterblichkeit bedeutend gesteigert. Außerdem steigt sie in den Landgemeinden, wo durch die Milchverteuerung und Milchentziehung die Güte der Kost sinkt. Am höchsten ist die Säuglingssterblichkeit in der Oberpfalz, in Oberbayern und Niederbayern, in einigen Kreisen der Regierungsbezirke Liegnitz und Breslau und der Kreishauptmannschaft Chemnitz. So starben im Jahre 1907 von 100 Lebendgeborenen im ersten Lebensjahre in Stadtamhof (Oberpfalz) 40,14, in Parsberg (Oberpfalz) 40,06, in Friedberg (Oberbayern) 39,28, in Kelheim (Niederbayern) 37,71, in München 37,63, in Glauchau (Sachsen) 33,48, in Waldenburg (Schlesien) 32,49, in Chemnitz 32,49, in Reichenbach (Schlesien) 32,18, in Annaberg 31,41 usw. Noch schlimmer lagen die Verhältnisse in der Mehrzahl der großen Fabrikdörfer, von welchen manche eine Sterblichkeitsziffer von 40 bis 50 Prozent aufzuweisen hatten. Trotz alledem ist diese soziale Entwicklung, die so traurige Resultate erzeugt, ein Fortschritt, genau so ein Fortschritt, wie es die Gewerbefreiheit, die Freizügigkeit, die Verehelichungsfreiheit usw. ist, welche die großkapitalistische Entwicklung begünstigen, wodurch aber unserem Mittelstand der Todesstoß versetzt wird.
Die Arbeiter sind nicht geneigt, dem Kleinhandwerk zu helfen, wenn dieses eine Einschränkung der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit und die Wiederaufrichtung der Innungs- und Zunftschranken versucht, um künstlich das Zwerggewerbe am Leben zu erhalten, denn um nichts anderes kann es sich handeln. Ebensowenig läßt sich aber auch in bezug auf die Frauenarbeit der alte Zustand zurückführen, was nicht ausschließt, daß strenge Schutzgesetze das Übermaß von Ausbeutung der Frauenarbeit verhindern und die gewerbliche Arbeit für schulpflichtige Kinder verboten wird. Hierin treffen die Interessen des Arbeiters mit den staatlichen und den allgemeinen menschlichen Kulturinteressen zusammen. Ist zum Beispiel der Staat genötigt, wie das in den letzten Jahrzehnten mehrfach der Fall war, zuletzt 1893, als es sich um eine abermalige große Verstärkung der Armee handelte, das Minimalmaß für das Militär herabzusetzen, weil infolge der degenerierenden Wirkungen unseres Wirtschaftssystems die Zahl der militäruntauglichen jungen Männer immer größer wird, so sind alle an schützenden Gegenmaßregeln interessiert . Das Endziel muß sein, die Nachteile , die das Maschinenwesen, verbesserte Arbeitswerkzeuge und die moderne Arbeitsweise hervorrufen, zu beseitigen, dagegen die enormen Vorteile , die sie der Menschheit geschaffen haben und in noch höherem Maße schaffen können, durch eine entsprechende Organisation der menschlichen Arbeit allen Gesellschaftsgliedern zustatten kommen zu
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