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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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Schöneberg, Mannheim usw. Erst im Frühjahr 1902 war wiederum das Gesuch um Immatrikulation weiblicher Studierender, wenn sie das Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums haben, vom Senat der Berliner Universität abgelehnt worden. Der Widerstand sehr einflußreicher Kreise in Deutschland gegen das Frauenstudium war noch nicht gebrochen. So hielt der preußische Kultusminister im März 1902 im preußischen Landtag eine Rede, in der er unter anderem ausführte: Die Mädchengymnasien seien ein Experiment, das die Unterrichtsverwaltung ablehnen müsse; er fürchte, daß die durch die Natur gegebenen und durch die Kultur entwickelten Unterschiede zwischen Mann und Frau durch den Gymnasiums- und Universitätsbesuch leiden könnten. Der deutschen Familie müsse die Eigentümlichkeit der deutschen Frau nach Möglichkeit erhalten werden. Das ist ganz nach der alten Schablone gedacht. Auch ein großer Teil der deutschen Professoren war nach wie vor dem weiblichen Studium abgeneigt, obgleich andere zugaben, daß viele der zum Studium zugelassenen Frauen den an sie gestellten Ansprüchen im vollsten Maße entsprechen, manche sogar in ausgezeichneter Weise. Und wie ein Teil der Studentenschaft – wahrscheinlich die sehr große Mehrheit – über das Frauenstudium dachte, davon legt ein Protest der Klinikerschaft zu Halle aus dem März 1902 Zeugnis ab, den dieser zur Unterstützung an die Kliniker Deutschlands veröffentlichte. Nachdem darin auseinandergesetzt worden war, daß die Agitation des Vereins "Frauenbildung–Frauenstudium" in Berlin für Zulassung der Frauen zum medizinischen Studium ihren Protest veranlaßt habe, heißt es: "Nachdem durch diesen Schritt die Frage vor das Forum der Öffentlichkeit gezogen ist, wendet sich die Hallenser Klinikerschaft an die Kreise, für welche die Entscheidung in dieser Frage in erster Linie Interesse und Bedeutung hat, an die Kliniker der deutschen Universitäten, weil sie entweder die erwähnten Unzuträglichkeiten aus eigener Erfahrung kennen oder sich doch vorstellen können, welche peinlichen und jeder Schamhaftigkeit spottenden Situationen dieser gemeinsame klinische Unterricht hier und da herbeiführen muß, Situationen, welche zu widerwärtig sind, als daß man sie, ohne Anstoß zu erregen, hier genauer präzisieren könnte . Die medizinische Fakultät der Universität Halle hat als eine der ersten im Deutschen Reiche den Versuch gemacht, Frauen zum medizinischen Studium zuzulassen, und dieser Versuch ist als durchaus mißglückt zu bezeichnen. In den Stätten ehrlichen Strebens ist mit den Frauen der Zynismus eingezogen , und Szenen, für Lehrer und Schüler wie für die Patienten in gleichem Maße anstoßerregend, sind an der Tagesordnung. Hier wird die Emanzipation der Frau zur Kalamität, hier gerät sie mit der Sittlichkeit in Konflikt , und deshalb muß ihr hier ein Riegel vorgeschoben werden. Kollegen! Wer könnte es wagen, angesichts dieser Tatsachen noch Stellung zu nehmen gegen unsere berechtigten Forderungen! Wir fordern die Ausschließung der Frauen vom klinischen Unterricht , weil uns die Erfahrung gelehrt hat, daß ein gemeinsamer klinischer Unterricht der männlichen und weiblichen Zuhörer sich mit dem Interesse eines gründlichen medizinischen Studiums ebensowenig verträgt als mit den Grundsätzen der Schicklichkeit und Moral . Die von uns angeregte Frage hat jetzt ihren lokalen Charakter verloren. Schon hat man höheren Ortes von einer definitiven Zulassung der Frauen zum medizinischen Studium etwas verlauten lassen. Ihr alle seid jetzt in gleicher Weise an unserer Sache interessiert, und deshalb fordern wir euch auf: Nehmt Stellung zu dieser Frage und vereinigt euch mit uns zum gemeinsamen Protest."
     
    Dieser "Protest" ist ein schlagender Beweis für die Beschränktheit, aber auch für den Konkurrenzneid der studierenden Kliniker, denn auf diesen sind die moralischen Bedenken zurückzuführen. Was in den meisten Kulturstaaten ohne jeden Schaden für Moral und Schicklichkeitsgefühl der Studierenden, zum Teil seit Jahrzehnten zulässig ist, sollte für Deutschland eine Gefahr sein. Die deutschen Studenten stehen nicht im Rufe besonderer Tugendboldigkeit und sollten solche Scherze unterlassen . Verschlägt es der Schicklichkeit und Moral nichts, daß Pflegerinnen in Gegenwart der Ärzte allen möglichen Operationen an männlichen und weiblichen Kranken beiwohnen und dabei die ausgiebigste Hilfe leisten, ist es schicklich und moralisch, daß Dutzende junger

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