Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Wollstonecraft ihre Stimme. 1790 schrieb sie gegen Burke, den heftigsten Gegner der Französischen Revolution, ein Buch, in dem sie die Forderung der Menschenrechte verteidigte. Sehr bald ging sie aber dazu über, auch für ihr eigenes Geschlecht die Menschenrechte zu verlangen. Das geschah in ihrem 1792 erschienenem Buche: "A Vindication of the Rights of women" (Eine Rechtfertigung der Rechte der Frauen), in dem sie, scharfe Kritik an dem eigenen Geschlechte übend, für die Frauen die volle Gleichberechtigung zum Besten des Ganzen in Anspruch nahm und kühn verteidigte. Aber sie fand, wie natürlich, den heftigsten Widerstand und die schwersten und ungerechtesten Angriffe. An schweren seelischen Kämpfen ging sie (1797), von ihren Zeitgenossen verkannt und verhöhnt, zugrunde.
Das merkwürdigste aber ist, daß um dieselbe Zeit, in der in Frankreich, England und den Vereinigten Staaten die ersten ernsten Bestrebungen auftauchten, die politische Gleichheit der Frauen zu erkämpfen, auch in dem damals so rückständigen Deutschland ein deutscher Schriftsteller – Th. G. v. Hippel – sich fand, der ein Buch erschienen ließ, in dem er, zunächst anonym, unter dem Titel "Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber", Berlin 1792, für die Gleichberechtigung der Frauen eintrat. Das war zu einer Zeit, in der ein Buch "Über die bürgerliche Verbesserung der Männer" in Deutschland die gleiche Berechtigung gehabt hätte. Um so mehr ist der Mut des Mannes zu bewundern, der in diesem Buche alle Konsequenzen für die soziale und politische Gleichberechtigung der Geschlechter zog und sehr geschickt und geistvoll verteidigte.
Seitdem ruhte lange Zeit die Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern, aber die Forderung ist allmählich ein Postulat in der vorgeschritteneren Frauenbewegung aller Kulturländer geworden und ist zum Teil in einer Anzahl Staaten verwirklicht. In Frankreich traten die St. Simonisten und Fourieristen für die gesellschaftliche Gleichheit der Geschlechter ein und der Fourierist Considérant beantragte 1848 in der Verfassungskommission des französischen Parlaments die Gewährung der gleichen politischen Rechte an die Frauen. 1851 wiederholte Pierre Leroux den Antrag in der Kammer, aber ebenfalls ohne Erfolg.
Heute liegen die Dinge wesentlich anders. Die ganze Entwicklung, alle Verhältnisse haben sich seitdem mächtig umgestaltet und haben auch die Stellung der Frauen verändert. Sie sind mehr als je mit allen Fasern ihrer Existenz mit dem gesellschaftlichen Entwicklungsgang verbunden und greifen mehr als je auch selbsttätig ein. Wir sehen, wie in allen Kulturstaaten Hunderttausende und Millionen Frauen gleich den Männern in den verschiedensten Berufen tätig sind und die Zahl derjenigen von Jahr zu Jahr wächst, die auf die eigene Kraft und die eigenen Fähigkeiten angewiesen, den Kampf um die Existenz zu führen haben. Es kann also den Frauen so wenig wie den Männern gleichgültig sein, wie unsere sozialen und politischen Verhältnisse beschaffen sind. Fragen zum Beispiel wie die: Welche innere und welche äußere Politik gehandhabt wird, ob eine solche Kriege begünstigt oder nicht; ob der Staat jährlich Hunderttausende von gesunden Männern in der Armee festhält und Zehntausende ins Ausland treibt; ob die notwendigsten Lebensbedürfnisse durch Steuern und Zölle verteuert werden und die Familie um so härter treffen, je zahlreicher diese ist, und das in einer Zeit, in der die Mittel zum Leben für die große Mehrzahl äußerst knapp bemessen sind, gehen die Frau ebenso nahe an wie den Mann. Auch bezahlt die Frau direkte und indirekte Steuern von ihrer Lebenshaltung und aus ihrem Einkommen. Das Erziehungssystem ist für sie vom höchsten Interesse, denn die Art der Erziehung entscheidet in hohem Grade über die Stellung ihres Geschlechts: als Mutter hat sie daran ein doppeltes Interesse.
Ferner sind die Hunderttausende und Millionen Frauen in Hunderten von Berufsarten persönlich sehr lebhaft beteiligt an dem Zustand unserer Sozialgesetzgebung. Fragen, betreffend die Länge der Arbeitszeit, die Nacht-, Sonntags- und Kinderarbeit, die Lohnzahlungs- und Kündigungsfristen, die Schutzmaßregeln in Fabriken und Werkstätten, mit einem Worte der Arbeiterschutz, weiter die ganze Versicherungsgesetzgebung, das Gewerbegerichtswesen usw. sind auch für sie vom höchsten Interesse. Die Arbeiter haben über den Zustand vieler Industriezweige, in
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