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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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welchen Arbeiterinnen ausschließlich oder überwiegend beschäftigt sind, nur eine unvollkommene oder keine Kenntnis. Die Unternehmer- haben alles Interesse, Mißstände, die sie verschulden, zu vertuschen, aber die Gewerbeinspektion erstreckt sich vielfach nicht auf Gewerbszweige, in welchen Frauen ausschließlich beschäftigt sind, auch ist sie noch äußerst unzureichend, und gerade hier sind Schutzmaßregeln am notwendigsten. Man braucht nur an die Arbeitslokale zu erinnern, in welchen in unseren großen Städten Näherinnen, Schneiderinnen, Putzmacherinnen usw. zusammengepfercht werden. Von dort kommt kaum eine Klage und dorthin dringt bis jetzt keine Untersuchung. Auch ist die Frau als Erwerbende an der Handels- und Zollgesetzgebung und dem gesamten bürgerlichen Rechte interessiert. Es kann also gar keinem Zweifel unterliegen, daß sie so gut wie der Mann das größte Interesse hat, Einfluß auf die Gestaltung unserer Zustände durch die Gesetzgebung zu erlangen. Ihre Beteiligung am öffentlichen Leben würde demselben einen bedeutenden Aufschwung geben und eine Menge neuer Gesichtspunkte eröffnen.
     
    Auf solche Ansprüche folgt die kurz abweisende Antwort: Die Frauen verstehen nichts von Politik, sie wollen auch in der großen Mehrzahl nichts davon wissen, auch verstehen sie das Stimmrecht nicht zu benutzen. Das ist wahr und nicht wahr. Allerdings haben bis jetzt noch nicht große Frauenkreise, wenigstens in Deutschland, die politische Gleichberechtigung gefordert. Die erste Frau, die schon Ende der sechziger Jahre in Deutschland dafür eintrat, war Frau Hedwig Dohm. Neuerdings sind es hauptsächlich die sozialdemokratisch gesinnten Arbeiterinnen, die kräftig agitatorisch dafür eintreten.
     
    Mit dem Einwand, daß bisher die Frauen der politischen Bewegung nur schwaches Interesse entgegenbrachten, ist nichts bewiesen. Bekümmerten sich bisher die Frauen nicht um Politik, so ist damit nicht bewiesen, daß sie es nicht müßten . Dieselben Gründe, die gegen das Stimmrecht der Frauen angeführt werden, wurden in der ersten Hälfte der sechziger Jahre gegen das allgemeine Stimmrecht der Männer geltend gemacht. Der Verfasser dieser Schrift gehörte selbst noch 1863 zu denen, die sich gegen dasselbe erklärten, vier Jahre später verdankte er ihm seine Wahl in den Reichstag. Zehntausenden erging es ähnlich, sie wurden aus einem Saulus zu einem Paulus. Gleichwohl gibt es noch viele Männer, die ihr wichtigstes politisches Recht entweder nicht benutzen oder nicht zu benutzen verstehen, aber das ist kein Grund, ihnen dasselbe vorzuenthalten, und es kann keiner sein, es ihnen entziehen zu wollen. Bei den Reichstagswahlen stimmen in der Regel 25 bis 30 Prozent der Wähler nicht, und diese rekrutieren sich aus allen Klassen. Und unter den 70 bis 75 Prozent, die an der Wahl sich beteiligen, stimmt nach unserer Auffassung die Mehrzahl so, wie sie nicht stimmen dürfte, begriffe sie ihr wahres Interesse. Daß sie dieses noch nicht begriffen hat, liegt an dem Mangel politischer Bildung.
     
    Politische Bildung wird dadurch aber nicht gewonnen, daß man die Massen von öffentlichen Angelegenheiten fern hält, sondern dadurch, daß man sie zur Ausübung politischer Rechte zuläßt. Ohne Übung keine Meister. Die herrschenden Klassen haben es bisher in ihrem Interesse verstanden, die große Mehrheit des Volkes in politischer Unmündigkeit zu erhalten. Bis zu dieser Stunde war es deshalb die Aufgabe einer klassen- und zielbewußten Minorität, mit Energie und Begeisterung für die Interessen der Allgemeinheit zu kämpfen und die große träge Masse aufzurütteln und zu sich emporzuziehen. So war es aber bisher in allen großen Bewegungen, und so kann es weder verwundern noch entmutigen, daß es auch in der Frauenbewegung nicht anders ist. Die bisherigen Erfolge zeigen, daß Mühe und Opfer belohnt werden, und die Zukunft bringt den Sieg.
     
    In dem Augenblick, in dem die Frauen gleiche Rechte mit den Männern erlangen, wird auch das Bewußtsein der Pflichten in ihnen lebendig werden. Aufgefordert, ihre Stimmen abzugeben, werden sie sich fragen: wozu? für wen? Mit diesem Augenblick werden zwischen Mann und Frau eine Reihe von Anregungen gegeben, die, weit entfernt, ihr gegenseitiges Verhältnis zu verschlechtern, es im Gegenteil wesentlich verbessern werden. Die ununterrichtetere Frau wird sich naturgemäß an den unterrichteteren Mann wenden. Daraus folgt Ideenaustausch und gegenseitige Belehrung, ein Zustand, wie

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