Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
des Gemeinwohls", und wie gründlich dabei mit dem Gemeineigentum und dem Eigentum der hilflosen Bauern verfahren wurde, das zeigt die Geschichte des Mittelalters bis in die Neuzeit auf jedem ihrer Blätter. Die Agrargeschichte der letzten tausend Jahre ist eine Geschichte ununterbrochenen Raubes am Gemein- und am Bauerneigentum, der seitens des Adels und der Kirche in allen Kulturstaaten Europas praktiziert wurde. Als dann die große Französische Revolution das Adels- und Kirchengut expropriierte, tat sie dies "im Namen des Gemeinwohls", und der größte Teil der acht Millionen Grundeigentümer, welche die Stütze des bürgerlichen Frankreich bilden, verdankt dieser Expropriation seine Existenz. Im Namen des "Gemeinwohls" nahm Spanien mehrfach Kircheneigentum in Beschlag und Italien konfiszierte es gänzlich, beklatscht von den eifrigsten Verfechtern des "heiligen Eigentums". Der englische Adel hat während Jahrhunderten das irische und englische Volk an seinem Eigentum bestohlen und beschenkte sich selbst "gesetzlich" von 1804 bis 1832 "im Interesse des Gemeinwohls" mit nicht weniger als 3.511.710 Acres Gemeindeland. Und als im großen nordamerikanischen Sklavenbefreiungskrieg Millionen Sklaven für frei erklärt wurden, die wohlerworbenes Eigentum ihrer Herren waren, ohne daß man diese entschädigte, geschah es "im Namen des Gemeinwohls". Unsere ganze bürgerliche Entwicklung ist ein ununterbrochener Expropriations- und Konfiskationsprozeß, bei dem der Fabrikant den Handwerker, der Großgrundbesitzer den Bauern, der Großkaufmann den Händler und schließlich ein Kapitalist den anderen, das heißt der Größere den Kleineren expropriiert und aufsaugt. Hören wir unsere Bourgeoisie, so geschieht das alles zum Besten des "Gemeinwohls", zum "Nutzen der Gesellschaft".
Die Napoleoniden "retteten" am 18. Brumaire und 2. Dezember die "Gesellschaft" und die "Gesellschaft" beglückwünschte sie; wenn die Gesellschaft sich künftig selbst rettet, indem sie das Eigentum, das sie geschaffen, wieder in ihre Hände nimmt, begeht sie die geschichtlich denkwürdigste Tat, denn sie handelt nicht, um die einen zugunsten der anderen zu unterdrücken, sondern um allen die Gleichheit der Existenzbedingungen zu gewähren und jedem ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen . Es ist die sittlich großartigste Maßregel, welche die Gesellschaft jemals ausgeführt hat.
In welchen Formen sich dieser große gesellschaftliche Expropriationsprozeß vollziehen wird, und unter welchen Modalitäten, entzieht sich jeder Voraussage. Wer kann wissen, wie dann die Verhältnisse beschaffen sind.
In seinem vierten sozialen Brief an v. Kirchmann, betitelt "Das Kapital" , sagt Rodbertus S. 117: "Eine Ablösung alles Grundkapitaleigentums ist keine Schimäre, sondern nationalökonomisch sehr wohl denkbar. Auch wäre sie sicherlich die radikalste Hilfe für die Gesellschaft , die, wie man kurz sagen darf, an dem Wachsen der Rente – Grund- und Kapitalrente – leidet. Sie wäre daher die einzige Form der Aufhebung des Grund- und Kapitaleigentums, die auch nicht auf Augenblicke den Verkehr und den Fortschritt des nationalen Reichtums unterbräche ." Was sagen unsere Agrarier zu dieser Ansicht eines ihrer ehemaligen Parteigenossen?
Wie nach einer solchen Maßregel die Dinge sich wahrscheinlich gestalten werden, kann nicht in bindender Weise dargelegt werden. Kein Mensch vermag zu wissen, wie künftige Generationen ihre sozialen Organisationen im einzelnen gestalten und ihre Bedürfnisse am vollkommensten befriedigen können. In der Gesellschaft befindet sich, wie in der Natur, alles in beständigem Fluß, das eine kommt, das andere vergeht, Altes, Abgestorbenes wird durch Neues, Lebensfähigeres ersetzt. Erfindungen, Entdeckungen und Verbesserungen der zahlreichsten und verschiedensten Art, deren Tragweite und Bedeutung oft niemand voraussehen kann, werden gemacht, sie treten in Wirksamkeit und revolutionieren und umgestalten je nach ihrer Bedeutung die menschliche Lebensweise, die ganze Gesellschaft.
Es kann sich also bei den folgenden Erörterungen nur um Entwicklung allgemeiner Prinzipien handeln, deren Aufstellung sich nach den gemachten Auseinandersetzungen von selbst ergibt, und deren Durchführung sich bis zu einem gewissen Grade übersehen läßt. Die Gesellschaft war schon bisher kein Wesen, das sich von einzelnen leiten und lenken ließ, wenn es auch oft so den Anschein hatte – "man glaubt zu schieben und wird
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