Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
und Boden in Betracht kommt, sondern der Boden der ganzen Welt, das heißt zu einem großen Teil Länder, deren Fruchtbarkeit das Zwanzig-, Dreißig- und Mehrfache ergibt als unser Boden von gleichem Umfang. Die Erde ist zwar schon ziemlich stark von Menschen in Besitz genommen, aber sie ist, mit Ausnahme eines kleinen Bruchteils, nirgends so angebaut und ausgenutzt, wie sie angebaut und ausgenutzt werden könnte . Nicht allein könnte Großbritannien eine große Menge von Nahrungsmitteln mehr erzeugen als heute, auch Frankreich, Deutschland, Österreich und in noch weit höherem Grade die übrigen Länder Europas. In dem kleinen Württemberg mit seinen 879.970 Hektaren Getreideboden ließe sich allein durch Anwendung des Dampfpfluges die durchschnittliche Erntemenge von 6.140.000 Zentner auf 9.000.000 Zentner Getreide erhöhen.
Das europäische Rußland, an dem Bevölkerungsstand Deutschlands als Maßstab gemessen, würde statt der zirka 100 Millionen, die es gegenwärtig zählt, 475 Millionen ernähren können. Heute zählt das europäische Rußland ungefähr 19,4 Einwohner auf den Quadratkilometer, Sachsen über 300.
Der Einwand, daß Rußland weite Strecken Landes habe, die durch ihr Klima eine höhere Befruchtung unmöglich machten, trifft zwar zu, dagegen hat es namentlich im Süden ein Klima und eine Bodenfruchtbarkeit, die Deutschland nicht entfernt kennt. Weiter werden durch die Dichtigkeit der Bevölkerung und die damit steigende Kultur des Bodens Veränderungen im Klima herbeigeführt, die sich gegenwärtig gar nicht ermessen lassen. Überall, wo in dichten Mengen der Mensch sich ansammelt, gehen auch klimatische Veränderungen vor. Wir legen diesen Erscheinungen zu wenig Gewicht bei, auch vermögen wir sie in ihrem ganzen Umfang nicht zu ermessen, weil wir keine Veranlassung und, wie die Dinge noch gegenwärtig liegen, auch nicht die Möglichkeit haben, Experimente im großen anzustellen. So würde das heute so spärlich bevölkerte Schweden und Norwegen mit seinen ungeheuren Wäldern und seinem unerschöpflich zu nennenden Metallreichtum, seiner Menge Flüsse, seinen Meeresküsten eine reiche Quelle der Ernährung für eine dichte Bevölkerung abgeben. Die passenden Mittel und Einrichtungen sind unter den gegebenen Verhältnissen nicht zu beschaffen, die den Reichtum dieser Länder erschließen, und so wandert sogar ein Teil der spärlichen Bevölkerung aus.
Was vom Norden gesagt werden kann, gewinnt eine ungleich größere Bedeutung für den Süden Europas: für Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, die Donauländer, Ungarn, die Türkei usw. Ein Klima von der größten Vortrefflichkeit, ein Boden, so üppig und fruchtbar, wie er kaum in den besten Gegenden der Vereinigten Staaten vorhanden ist, gibt einst ungezählten Bevölkerungsscharen die reichlichste Nahrung. Die faulen politischen und sozialen Zustände jener Länder veranlassen, daß Hunderttausende aus Europa über den Ozean ziehen, statt in der Heimat zu bleiben oder sich in jenen viel näher und bequemer gelegenen Länder niederzulassen. Sobald hier vernünftige soziale und politische Einrichtungen vorhanden sind, werden neue Millionen Menschen nötig sein, um jene weiten und fruchtbaren Länder auf eine höhere Kulturstufe zu heben.
Wir haben auf lange Zeit hinaus in Europa, um wesentlich höhere Kulturzwecke erreichen zu können, nicht Überfluß an Menschen, sondern eher Mangel daran, und es ist unter solchen Umständen absurd, sich wegen Übervölkerung irgendeiner Befürchtung hinzugeben . Dabei muß immer im Auge behalten werden, daß die Ausnutzung der vorhandenen Nahrungsquellen, durch die Anwendung von Wissenschaft und Arbeit, gar keine Grenzen kennt und jeder Tag uns neue Entdeckungen und Erfindungen bringt, welche die Quellen für die Nahrungsgewinnung vermehren .
Gehen wir von Europa nach den anderen Erdteilen, so stellt sich noch in viel höherem Grade Menschenmangel und Bodenüberfluß heraus . Die üppigsten und fruchtbarsten Länder der Erde liegen noch vollständig oder fast vollständig unbenutzt, weil ihre Urbarmachung und Ausbeutung nicht mit einigen tausend Menschen in Angriff genommen werden kann, sondern Massenkolonisationen von vielen Millionen erfordert, um der überüppigen Natur nur einigermaßen Herr werden zu können . Dazu gehören unter anderen Zentral- und Südamerika, ein Terrain von Hunderttausenden von Quadratmeilen. Argentinien hatte zum Beispiel 1892 erst rund
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