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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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widerhallte, zog Dan die Außentür zu. »Und, wie gefällt es dir bis jetzt?« Er grinste.
    »Ich fühle mich wie in einem Grab«, antwortete ich,
zog die Jacke fester um mich und suchte nach einer guten Ausrede, um zurück in die Hütte zu gehen.
    »Warte, bis du die Aussicht siehst.« Lachend sprang er die Treppen hinauf und verschwand um die erste Biegung, ehe ich Einwände erheben konnte.
    Hilflos reckte ich den Hals und versuchte, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Aber bis auf den hohlen Widerhall seiner Schritte auf den Metallstufen hätte ich ebenso gut allein sein können. Ich fragte mich, wie ich mich schon wieder in so eine missliche Lage gebracht hatte, umfasste das kalte Eisengeländer und stieg hinter ihm nach oben.
    Zehn Minuten später trat ich, keuchend wie ein Asthmatiker, in den kleinen weißen Raum an der Spitze des Turms.
    »Du bist ja ganz rot im Gesicht«, bemerkte Dan amüsiert. Als ich keine Antwort gab, verflog sein Lächeln, und er legte die Hand auf meine schweißnasse Stirn. »Bist du okay?«
    Ich nickte und zog den Reißverschluss meiner Jacke auf, weil ich spürte, wie mir die Hitze von der Brust aufstieg. »Fürchte, ich war in letzter Zeit zu wenig im Fitnessstudio«, schnaufte ich und sah mich in dem kleinen Raum um, während ich darauf wartete, dass mein Herzschlag sich normalisierte. Die Nachmittagssonne strömte durch das Rund aus makellos klaren Glasscheiben, die den Raum umgaben, und rief grelle Reflexe auf den riesigen Linsen hervor, die in der Mitte des Raums auf Halterungen aus poliertem Messing montiert waren.
    »Ein wirklich schönes Stück Arbeit, was?« Fasziniert betrachtete ich das komplizierte Uhrwerk der alten Signalanlage.
    Liebevoll strich Dan mit der Hand über die seidige
Oberfläche des gewaltigen Zahnrads, auf dem die Linsen lagerten. »Wir wissen meist die technischen Errungenschaften unserer Vorfahren nicht mehr zu schätzen«, pflichtete er mir bei. »Diese Signalanlage wiegt fast tausend Pfund. Ihr Lichtstrahl reicht vierzig Meilen aufs Meer hinaus. Und dieses einst von Hand betriebene Rad dreht sich seit über einhundertundsechzig Jahren exakt alle vierundvierzig Sekunden, ohne einen einzigen Ausfall.«
    »Erstaunlich«, meinte ich und trat näher heran, um die polierten Zahnräder und Gegengewichte zu inspizieren, die die Anlage einst bewegt hatten.
    »Da fragt man sich doch, wie lange ein Auto halten könnte, wenn es von den Leuten hergestellt worden wäre, die diesen Apparat gebaut haben.« Dan wies auf eine feine Gravur auf dem Metallrad. »Schau hier, der Mann, der dieses Rad gefertigt hat, hat es signiert. Arthur Thackeray, Greenwich, England, 1846.«
    »Handwerkerstolz war damals alles«, meinte ich und beugte mich vor, um die Gravur anzusehen. »Das gehört zu den Dingen, die ich an der Arbeit mit Antiquitäten liebe. Man kann die pure Freude spüren, die jemand in die Herstellung von etwas besonders Schönem und Dauerhaftem gesteckt hat.« Kopfschüttelnd richtete ich mich auf. »Auf so etwas legt heute niemand mehr Wert.«
    »Also, manche von uns schon, und das sogar sehr.« Dans Stimme klang leidenschaftlich, und ich drehte mich um und sah ihn an. Durch das breite Fenster hinter ihm sah ich die kalten Fluten des Atlantiks, die sich endlos bis zum Horizont erstreckten. In der Sonne hatten sie genau den Farbton seiner klaren grünen Augen.
    Die Szene war so perfekt, dass es mir das Herz zusammenzog.
Plötzlich fühlte ich, wie ein unwiderstehliches Schwindelgefühl in mir aufstieg. Ich schloss die Augen und taumelte voran, in seine Arme. Mühelos fing er mich auf. »Was ist, Sue?«, fragte er besorgt.
    »Nichts«, murmelte ich und kam mir äußerst dumm vor. Aber ich öffnete meine Augen trotzdem nicht gleich, denn ich wollte noch einen winzigen Moment das Gefühl genießen, festgehalten zu werden … so, wie Bobby mich früher in den Armen gehalten hatte, erkannte ich verschwommen.
    Kaum war mir dieser Gedanke in den Kopf geschossen, begriff ich, was mit mir los war. Ich schüttelte das Gefühl ab und machte mich verlegen los.
    »Ich fürchte, ich leide ein wenig unter Höhenangst«, sagte ich und wies auf das glitzernde Panorama von Land und Meer vor den Fenstern.
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte er und zog von einem kleinen Pult, auf dem nichts außer einem schwarzen Notfalltelefon stand, einen Schemel heran. »Hätte ich das geahnt, hätte ich dich doch nie hier raufgeschleppt …«
    Ich setzte mich und spürte, wie meine

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