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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Wangen heiß anliefen. »Nein, ich wollte gern noch einmal hierher«, beharrte ich und zwang mich, nach draußen zu sehen. In weiter Ferne, am anderen Ende des steinernen Damms, beherrschten die stattlichen viktorianischen Häuser die Küste. Über den kahlen Bäumen konnte ich klar und deutlich das Türmchen erkennen, in dem mein Schlafzimmer lag.
    »Dies ist genau der entgegengesetzte Blick, wie ich ihn von meinem Schlafzimmerfenster aus habe«, erklärte ich und wies in die Richtung.

    Dan nickte zerstreut. »Ich weiß«, gab er zurück. Mein Kopf ruckte herum, und ich starrte ihn an. Hinter ihm schimmerte das Messingrohr eines mächtigen Teleskops in der Sonne. Er folgte meinem Blick bis zu dem Instrument, das in Richtung meines Hauses ausgerichtet war, und langsam breitete sich ein erschrockener Ausdruck über seine gebräunten Züge.
    Abwehrend hob Dan die Hände. »Oh nein, Sue«, protestierte er. »Du glaubst doch nicht, dass ich bei Nacht hier sitze und dich beobachte!« Er sah den Schock in meinem Blick, und ihm wurde klar, dass er meinen spontanen Gedanken in Worte gefasst hatte. »Herrgott, nein«, stotterte er. »Mir war nur gerade etwas eingefallen, was ich über dein Haus gelesen habe, als ich letztes Jahr einige Papiere des Museums inventarisiert habe.«
    Ich starrte ihn verständnislos an.
    »In einem der alten Wärter-Tagebücher«, beeilte er sich zu erklären. »Aus der Zeit, als deine Vorfahrin von diesem Turm zu Tode gestürzt ist.«
    »Meine Vorfahrin?«, konnte ich nur heiser flüstern. Dan nickte. »Eine junge Frau … Du kennst die Geschichte sicher.«
    Langsam schüttelte ich den Kopf. »Davon weiß ich nicht das Geringste.«
    Dan hielt inne und wählte seine nächsten Worte sorgfältig. »Vielleicht hätte ich dir gar nichts davon erzählen sollen. Ich meine, die Marks hätten bestimmt nicht gewollt, dass diese Geschichte breitgetreten wird, vor allem damals nicht, 1910. Bestimmt hätten sie das Ganze lieber vergessen.«
    »Was ist mit ihr passiert?«, fragte ich und spürte, wie mir plötzlich vor Aufregung der Mund trocken wurde.

15. Kapitel
    Dan Freedman nahm einen mächtigen, in Leinen gebundenen Band von einem Stapel ähnlicher Bücher, die auf meinem Couchtisch lagen, und legte es auf seine Knie. »Amos Carters Tagebuch der Jahre 1909 und 1910.«
    Draußen war es dunkel, und wir saßen in Tante Ellens ehemaligem Salon vor einem prasselnden Kaminfeuer. Dan konnte sich nicht an alle Einzelheiten dessen erinnern, die er vor über einem Jahr gelesen hatte, und hatte daher gar nicht erst versucht, mir die ganze Geschichte um Aimee Marks’ Tod aus dem Gedächtnis zu erzählen.
    Stattdessen waren wir vom Leuchtturm gestiegen und hatten das alte Tagebuch aus einem riesigen Archiv von Dokumenten auf dem Dachboden des Wärterhäuschens ausgegraben. Ohne mir den Grund zu verraten, hatte Dan darauf bestanden, dass wir noch nach drei anderen Tagebüchern suchten. Bis wir endlich alles gefunden hatten, ging die Sonne unter. So hatten wir mein Moped auf die Ladefläche seines Trucks gehievt und waren zum Haus zurückgefahren, wo ich ein improvisiertes Abendessen aus Dosensuppe und kalten Sandwiches zubereitet hatte.
    Inzwischen hatten wir die Brote gegessen und frisch gekochten Kaffee vor uns stehen, und Dan war bereit.
    »Amos Carter war zwischen 1905 und 1913 Leuchtturmwärter«, begann er und blätterte die linierten, von
Hand beschriebenen Seiten des dicken Buchs durch. »Und wie für alle Leuchtturmwärter damals gehörte es zu seinen Pflichten, Aufzeichnungen über alles anzulegen, was mit dem Signalfeuer zu tun hatte.«
    »So ähnlich wie ein Kapitän ein Logbuch führt?«, fragte ich interessiert.
    Dan nickte. »Genau wie ein Logbuch«, antwortete er. »Die Idee war, wichtige Informationen über den Betrieb des Leuchtturms festzuhalten. Aber es gab keine festen Regeln, was in das Tagebuch hineingehörte, daher sind darin auch andere Informationen zu finden, zum Beispiel Wetteraufzeichnungen, Beschreibungen von Schiffsunglücken an der Küste und alles Mögliche andere.«
    Dan fand den Eintrag, den er gesucht hatte, und schaute auf. »In vielen Fällen enthält das Tagebuch eines Wärters - je nachdem, wie detailliert er seine Aufzeichnungen gemacht hat - die vielleicht einzige historisch korrekte Darstellung der Lokalgeschichte. Natürlich«, setzte er hinzu, »haben viele Wärter auch nur so viel geschrieben, wie sie unbedingt mussten.«
    Er zeigte mir eine Doppelseite, die in einer

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