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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Nordostwind war einer milden Brise gewichen, die die glasklare Oberfläche des Meeres nur zu kleinen, welligen Stellen aufwühlte, die die alten Seeleute hier als »Katzenpfoten« bezeichnen. Wenn es erst einmal Winter war, würde ich kaum noch Gelegenheit haben, das Moped zu benutzen. Also rollte ich es aus der Remise und startete den braven kleinen Motor. Zu meiner großen Freude sprang er beim ersten Versuch an.
    Dieses Mal hatte ich mich gut auf die windige Fahrt zur Insel vorbereitet. Ich hatte eine alte Skijacke gefunden, und mit einem Fahrradhelm und einer großen Sonnenbrille, die meine Augen schützte, verlief die Fahrt sogar noch angenehmer als beim ersten Mal.
    Schon aus einiger Entfernung sah ich, dass Dans Toyota neben der Leuchtturmwärter-Hütte stand. Daher fuhr ich auf den Parkplatz und rechnete damit, ihn dramatisch hinter einer Staffelei posierend anzutreffen. Doch bei dem Anblick, der sich mir tatsächlich bot, als ich ihn erblickte, fiel mir die Kinnlade herunter.
    Dan Freedman stand an einer Ecke der alten Hütte und klatschte aus einem großen Plastikeimer dicke weiße Farbe auf die verwitterten Schindeln, mit denen das Häuschen verkleidet war. Als er mich hörte,
drehte er sich um und winkte mir fröhlich mit dem Farbpinsel zu.
    »Ich hatte mich schon gefragt, ob du noch kommen würdest«, rief er und versuchte, meinen knatternden Motor zu übertönen.
    »Du malst ja wirklich das Leuchtturmwärter-Häuschen an!« Ich lachte, weil ich mir nicht sicher war, ob er das Ganze als Privatscherz für mich arrangiert hatte.
    Spitzbübisch zog Dan die Augenbrauen hoch und wischte sich die farbverschmierten Hände an einem Lappen ab. »Das habe ich doch gesagt, oder?«
    Ich schaltete den Motor aus, parkte das Moped auf seinem Ständer und nahm Helm und Brille ab. »Ja, das hast du gesagt«, gab ich zu.
    »Eine der Pflichten eines ehrenamtlichen Museumskurators«, erklärte er, »ist es, die alte Hütte tipptopp in Ordnung zu halten. Ich habe sogar den Verdacht, dass der Stadtrat mir den Job nur aus diesem Grund gegeben hat, obwohl ich in letzter Zeit auch aus eigenem Antrieb etwas umgeräumt habe. Komm rein, ich führe dich herum.«
    Sorgfältig verschloss er den Farbeimer und führte mich um das Gebäude zur offenen Vordertür. »Willkommen im Seefahrtsmuseum von Maidenstone Island zu einer Führung durch den Leuchtturm«, sagte er und ließ mich in einen gemütlichen Raum mit einem großen Steinkamin treten.
    »Bis zur vollständigen Automatisierung des Leuchtfeuers im Jahr 1967 diente diese Hütte als Wohnung für mehrere Generationen von Leuchtturmwärtern und ihren Familien«, verkündete Dan und klang wie ein Fremdenführer. »Auf der Grundlage alter Fotos und
Aufzeichnungen aus der Zeit habe ich versucht, diesen Raum so herzurichten, wie er Ende der 1860er Jahre ausgesehen haben mag. Zumindest«, setzte er verlegen hinzu, »ist das meine Vorstellung davon.«
    »Es ist wunderschön«, sagte ich und sah mich begeistert um. Der kleine Raum im vorderen Teil des Häuschens war mit robusten, aber bequemen ländlichen Möbeln aus der damaligen Zeit eingerichtet, und auf den polierten Bodendielen aus Eiche lag ein bunter Flickenteppich. Auf dem Herd stand ein geschwärzter Kochtopf aus Gusseisen und auf dem Kaminsims ein herrliches, blankpoliertes Barometer aus Messing.
    »Als ich den Job als Kurator übernommen habe, war das Museum bis auf ein paar Ausstellungsstücke in staubigen Vitrinen praktisch leer«, sagte Dan, während ich herumging. »Es war meine Idee, die originale Atmosphäre dieses Raums wieder herzustellen, indem ich ihn möbliert habe. Das ganze Zeug habe ich in Antiquitätenläden in der Gegend aufgetan.«
    Ich lächelte anerkennend. Die Möbelstücke waren authentisch, aber noch mehr beeindruckten mich die kleinen Details, die Dan seiner Nachschöpfung der Wohnung des Leuchtturmwärters hinzugefügt hatte. Kleine Gegenstände wie eine Lesefibel für Kinder aus dem 19. Jahrhundert, die offen auf dem Herd lag, oder eine halb fertige Holzschnitzerei neben einem Gestell mit abgekauten Pfeifen vermittelten den Eindruck, dass die viktorianischen Bewohner dieses Ortes den Raum nur für einen Moment verlassen hatten.
    »Du hast wirklich ein künstlerisches Auge fürs Detail«, sagte ich, was er mit einem breiten Grinsen quittierte.

    Als ich das Zimmer zur Genüge bewundert hatte, führte mich Dan in einen Nebenraum, in dem es tatsächlich wie in einem Museum aussah. An den weißgetünchten

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