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Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Die Frau von dreißig Jahren (German Edition)

Titel: Die Frau von dreißig Jahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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jahrhundertealten und erhellte mit ihrer Strahlenfülle jene unzähligen wettergebräunten Gesichter, die alle von überstandenen Gefahren zeugten und die zukünftigen erst erwarteten. Die Obersten jedes Regiments schritten einzeln die Fronten dieser heldenmütigen Männer ab. Hinter den Massen der in Silber, Himmelblau, Purpur und Gold schimmernden Truppen konnten die Neugierigen die dreifarbigen Wimpel an den Lanzen von sechs unermüdlichen polnischen Reitern erkennen. Diese galoppierten, Hunden gleich, die eine Herde durch das Feld treiben, unaufhörlich zwischen den Truppen und den Zuschauern hin und her, um die letzteren daran zu hindern, den winzigen Raum, der ihnen neben dem kaiserlichen Gitter zugebilligt war, zu überschreiten. Abgesehen von diesem Hin und Her hätte man sich in Dornröschens Schloß versetzt glauben können. Der Frühlingswind, der über die langhaarigen Bärenfellmützen der Grenadiere strich, ließ die Unbeweglichkeit der Soldaten sichtbar werden, gleichwie das dumpfe Murmeln der Menge ihr Schweigen noch stärker hervorhob. Nur zuweilen erklang ein Schellenbaum oder ein versehentlicher leichter Schlag gegen eine große Trommel, den das Echo des kaiserlichen Palastes zurückwarf, was dem fernen Grollen des Donners bei einem aufziehenden Gewitter glich. Eine unbeschreibliche Begeisterung brodelte in der erwartungsvollen Menge. Frankreich schickte sich an, Napoleon am Vorabend eines Feldzugs, dessen Gefahren von dem einfachsten Bürger vorausgesehen werden konnten, Lebewohl zu sagen. Diesmal ging es um Sein oder Nichtsein des französischen Kaiserreichs. Dieser Gedanke schien Zuschauer wie Militärs zu bewegen, die sich gleicherweise schweigend in dem Umkreis zusammendrängten, über dem der Adler und das Genie Napoleons schwebten. Diesen Soldaten, der Hoffnung Frankreichs, diesen Soldaten, Frankreichs letzten Blutstropfen, galt vor allem die unruhige Neugier der Zuschauer. Die Mehrzahl der Anwesenden und der Soldaten sagten sich vielleicht auf ewig adieu. Alle Herzen aber, selbst die dem Kaiser feindlich gesinnten, richteten glühende Wünsche für den Ruhm des Vaterlandes zum Himmel. Selbst jene Männer, die des Kampfes, der sich zwischen Europa und Frankreich entsponnen hatte, ganz und gar müde waren, hatten ihren Haß abgetan, als sie durch den Triumphbogen zogen, wohl wissend, daß am Tag der Gefahr Napoleon ganz Frankreich war. Die Schloßuhr schlug halb eins. In diesem Augenblick verstummte das Surren der Menge, und die Stille wurde so tief, daß man das Wort eines Kindes hätte hören können. Da vernahmen der Greis und seine Tochter, die nur ganz Auge waren, das Klirren von Sporen und ein Rasseln von Säbeln, das unter dem hohen Säulengang des Schlosses laut widerhallte.
    Ein kleiner, ziemlich fetter Mann, in hohen Reitstiefeln, mit einer grünen Uniform und einer weißen Hose bekleidet, erschien plötzlich, auf dem Kopf einen Dreimaster, der ebenso seltsam war wie der Mann selbst; das breite rote Band der Ehrenlegion flatterte auf seiner Brust, ein kleiner Degen hing an seiner Seite. Der Mann konnte von allen Augen und von allen Punkten des Platzes aus gleichzeitig gesehen werden. Sogleich schlugen die Trommeln den Fahnenmarsch, die beiden Orchester spielten einen Satz, dessen kriegerisches Thema von allen Instrumenten, von der zarten Flöte bis zur großen Trommel, aufgegriffen wurde. Bei diesem Kampfsignal erbebten alle Herzen; die Fahnen grüßten, die Soldaten präsentierten die Waffen mit einem einzigen gleichmäßigen Griff, durch welchen die Gewehre von der ersten bis zur letzten Reihe des Carrousels in einem Ruck emporgerissen wurden. Kommandoworte schallten von Reihe zu Reihe wie Rufe eines Echos. Die begeisterte Menge rief: »Es lebe der Kaiser!« Kurz, alles bebte, war in Bewegung, alles brodelte. Napoleon war zu Pferde gestiegen. Diese Bewegung hatte die schweigsamen Massen belebt, den Instrumenten eine Stimme gegeben, die Adler und die Fahnen zum Schwingen gebracht und auf allen Gesichtern Erregung hervorgerufen. Die Mauern der hohen Galerie dieses alten Schlosses schienen mitzurufen: ›Es lebe der Kaiser!‹ Es war nichts Menschliches mehr, es war ein Zauberwerk, ein Abbild der göttlichen Macht oder vielmehr ein vergängliches Bild dieser so vergänglichen Herrschaft. Der Mann, der von so viel Liebe, Begeisterung, Hingebung, Wünschen getragen wurde, für den die Sonne die Wolken vom Himmel gejagt hatte, saß auf seinem Pferde, drei Schritt vor dem kleinen,

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