Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah
ihn und alle anderen ab, während sie sich durch ihre privaten Tagträume treiben ließ. Dann streckte sie sich irgendwann, lächelte und ließ alle wieder an sich heran.
Sie blieb für Max ein Rätsel, eine Mischung aus glühender Sinnlichkeit und unberührter Unschuld, einer atemberaubenden Offenheit und einer unerreichbaren Einsamkeit.
Nach drei Tagen war seine Kraft zurückgekehrt. Das Vernünftigste wäre gewesen, von seinem Geld ein Ticket nach New York zu kaufen und ein paar Nachhilfeschüler für den Sommer zu suchen.
Aber er wollte nicht vernünftig sein.
Es war sein erster Urlaub, und er wollte ihn genießen, auch wenn er dazu gezwungen worden war. Sein Leben war stets von Stundenplänen beherrscht worden. In The Towers konnte er machen, was er wollte.
Hinzu kam seine wachsende Faszination für Lilah. Sie kam und ging und glitt durch das Haus, verließ es morgens in der Uniform einer Nationalparkaufseherin, zog abends einen ihrer fließenden Röcke an oder sexy Shorts. Sie lächelte Max an, sprach mit ihm und hielt einen freundlichen Abstand.
Er wiederum machte sich Notizen oder unterhielt Suzannas Kinder, Alex und Jenny, die bereits Anzeichen sommerlicher Langeweile zeigten. Er konnte im Garten oder an den Klippen spazieren gehen, Coco in der Küche Gesellschaft leisten oder den Arbeiten im Westflügel zusehen.
Das Wundervolle war, er konnte tun, was er wollte.
So konnte er auf der Wiese sitzen, und Alex und Jenny kauerten zu seinen Füßen wie begierige Frösche. Die Sonne war wie eine dunstige Silberscheibe hinter einem Wolkenschleier verborgen. Spielerisch und frisch trug die Brise den Duft von Lavendel und Rosmarin heran. Schmetterlinge tanzten über das Gras und entkamen mühelos Freds Verfolgung. In der Nähe zwitscherte ein Vogel in einer knorrigen Eiche.
Max spann die Geschichte eines kleinen Jungen, der in die Schrecken und aufregenden Abenteuer des Revolutionskrieges verwickelt wurde. Indem er Tatsachen mit Fiktion verwob, unterhielt er die Kinder und gab gleichzeitig seiner Liebe zum Geschichtenerzählen nach.
»Ich wette, er hat die Rotröcke scharenweise getötet«, sagte Alex genüsslich. Mit seinen sechs Jahren besaß er eine lebhafte und mitunter brutale Fantasie.
»Scharenweise«, bestätigte Jenny. Sie war ein Jahr jünger als ihr Bruder und hielt nur zu gern mit ihm mit. »Mit links.«
»Bei der Revolution ging es nicht nur um Gewehre und Bajonette, wisst ihr.« Es amüsierte Max, wie sie wegen des ausbleibenden Gemetzels schmollten. »Viele Schlachten wurden auch durch Intrigen und Spionage gewonnen.«
Alex strahlte. »Spione?«
»Spione«, wiederholte Max und zerzauste die dunklen Haare des Jungen. Weil er selbst unter diesem Mangel gelitten hatte, erkannte er Alex’ Sehnsucht nach männlicher Zuneigung.
Mittels des jungen Helden seiner Geschichte brachte er die Kinder durch die Ereignisse der Revolution bis zu der Boston Tea Party. Als er seinen Helden Teekisten in das seichte Wasser des Hafens von Boston werfen ließ, sah er Lilah über die Wiese gleiten. Ihre Kleider umflossen sie im Wind, ihre Füße waren nackt, und Dutzende schmaler Reifen zierten ihre Arme.
Fred jagte ihr kläffend entgegen, sprang an ihr hoch und brachte sie zum Lachen. Als sie sich bückte und ihn streichelte, glitt ein Träger ihrer Bluse herunter. Der Hund hopste weiter und stolperte bei seiner sinnlosen Jagd nach Schmetterlingen.
Lilah richtete sich auf, schob den Träger lässig wieder an seinen Platz zurück und ging weiter. Max fing ihren Duft auf – ungezähmt und frei.
Sie sprach ihn an: »Ist das eine Privatparty?«
»Max erzählt uns eine Geschichte«, erklärte Jenny mit leuchtenden Augen.
»Eine Geschichte?« Die bunten Kugeln an ihren Ohren tanzten, als sie sich in das Gras sinken ließ. »Ich liebe Geschichten.«
»Erzähl sie Lilah auch.« Jenny rückte näher zu ihrer Tante und begann, mit ihren Armbändern zu spielen.
»Ja.« Lachen schwang in ihrer Stimme mit, als sie Max ansah. »Erzähl sie Lilah auch.«
Sie weiß genau, welche Wirkung sie auf einen Mann hat, dachte er. Ganz genau. »Ab… wo war ich?«
»Jim hat sich sein Gesicht mit Kork geschwärzt und den verdammten Tee in den Hafen geworfen«, erinnerte Alex ihn. »Bisher ist noch niemand erschossen worden.«
»Richtig.« Max widmete sich wieder seinem erfundenen Helden, erhöhte die Spannung, zeichnete seine Personen farbig und beschrieb ein historisches Ereignis so faszinierend, dass Lilah ihn mit neuem
Weitere Kostenlose Bücher