Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah
und hinuntergegangen. Der Herr wollte nicht, dass wir die Haupttreppe benutzten, aber wenn er nicht da war, ging ich immer die Treppe hinunter und stellte mir vor, eine Lady zu sein. Oh, ich war damals ein flottes Ding und gar nicht schlecht anzusehen. Ich flirtete immer mit einem der Gärtner. Joseph hieß er. Aber das habe ich nur getan, um meinen Tom eifersüchtig zu machen.« Sie seufzte, während sie sich erinnerte. »Nie habe ich so ein Haus gesehen. Die Möbel, die Gemälde, das Kristall. Einmal in der Woche mussten wir jedes Fenster mit Essig putzen, damit sie wie Diamanten funkelten. Und die Herrin liebte frische Blumen überall. Sie schnitt Rosen und Pfingstrosen im Garten oder pflückte wilde Orchideen und Frauenschuh.«
»Was können Sie uns über den Sommer erzählen, in dem sie starb?«, drängte Max.
»In diesem Jahr verbrachte sie viel Zeit in ihrem Turmzimmer, blickte aus dem Fenster auf die Klippen oder schrieb in ihrem Buch!«
»Buch?«, unterbrach Lilah. »Meinen Sie ein Tagebuch?«
»Ich nehme an, es war eines. Ich habe sie schreiben sehen, wenn ich ihr manchmal Tee brachte. Sie bedankte sich auch immer bei mir. Nannte mich bei meinem Namen. ›Danke, Millie‹, sagte sie. ›Ist heute nicht ein schöner Tag?‹ oder ›Sie hätten sich nicht die Mühe machen müssen, Millie. Wie geht es Ihrem jungen Freund?‹ Reizend war sie.« Millies Lippen wurden schmal. »Aber der Herr, der verlor kein persönliches Wort. Als wäre unsereins ein Stück Holz gewesen.«
»Sie mochten ihn nicht«, warf Max ein.
»Es stand mir nicht zu, ihn zu mögen oder nicht zu mögen, aber einen härteren, kälteren Mann habe ich in all meinen Jahren nie getroffen. Wir haben gelegentlich darüber gesprochen, ich und eines von den anderen Mädchen. Warum heiratete eine so herzensgute, zauberhafte Frau einen solchen Mann? Geld, hätte ich behauptet. Ach, die Kleider, die sie hatte, und die Partys und die Juwelen. Aber es machte sie nicht glücklich. Ihre Augen waren traurig. Sie und der Herr gingen abends häufig aus oder empfingen Gäste. Ansonsten ging er seiner Wege. Geschäfte, Politik und alles so was. Er hat sich kaum um seine Frau gekümmert und noch weniger um seine Kinder. Obwohl er etwas für den Jungen übrig hatte, für den ältesten Jungen.«
»Ethan«, warf Lilah ein. »Mein Großvater.«
»Ja, Ethan Calhoun. Ein hübscher kleiner Junge war das, und ein Wildfang. Rutschte das Geländer herunter und spielte im Schmutz. Die Herrin hat sich nicht daran gestört, wenn er sich schmutzig machte, aber sie sorgte dafür, dass er fein hergerichtet war, wenn der Herr nach Hause kam. Mit strenger Hand hat er regiert, dieser Fergus Calhoun. War es ein Wunder, dass sich die arme Frau woanders nach ein wenig Zärtlichkeit umgesehen hat?«
Lilah drückte Max’ Hand. »Sie wussten, dass sie sich mit jemandem traf?«
»Es war meine Aufgabe, das Turmzimmer aufzuräumen. Mehr als einmal blickte ich aus diesem Zimmer und sah sie zu den Klippen laufen. Sie hat dort einen Mann getroffen. Jedes Mal, wenn sie von einem Treffen mit ihm zurückkam, wirkte sie glücklich. Zumindest für eine Weile.«
»Wissen Sie, wer der Mann war?«, fragte Max.
»Ein Maler, glaube ich. Aber ich habe nie jemanden gefragt, und ich habe auch nie erzählt, was ich beobachtet habe. Das war das Geheimnis der Herrin. Sie verdiente eines.« Millie legte die Hände in den Schoß. »An dem Tag, bevor sie starb, brachte sie einen kleinen Welpen für die Kinder nach Hause. Sie hatte ihn in den Klippen gefunden. Himmel, was für eine Aufregung! Die Herrin ließ einen Waschzuber auf der Terrasse mit Wasser füllen, und die Kinder badeten den Hund. Sie lachten, und der kleine Kerl jaulte. Das war das letzte Mal, dass ich sie glücklich gesehen habe.« Sie stockte einen Moment, um ihre Gedanken zu sammeln. »Es gab einen schrecklichen Streit, als der Herr nach Hause kam. Der Herr wollte das Tier nicht im Haus dulden. Die Kinder weinten, aber der Herr befahl ganz kalt, die Herrin sollte den Hund einem Diener zum Töten geben.«
Lilah fühlte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Aber warum denn?«
»Der Hund war nicht gut genug, verstehen Sie? Ein Mischling. Der Herr sagte schreckliche Dinge. Ich werde nie sein Gesicht vergessen, als er aus dem Salon stürmte. Er sah wild aus, wie ein Geist. In der nächsten Nacht starb sie.«
»Mrs Tobias, haben Sie gehört, dass Bianca plante, ihren Mann zu verlassen?«
»Später habe ich davon erfahren. Der
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