Die Frauen der Calhouns 05 - Megan
weiß einfach alles. Ihm fließt Öl durch die Adern, und im Kopf hat er nichts als Pferde.«
»Ein Zitat meiner Mutter«, erklärte Megan trocken. »Sie weiß nämlich auch alles. Aber wir sprachen von Fergus’ Buch.«
»Hat es dich nicht neugierig gemacht?«
»Ein wenig schon. Vielleicht nehme ich mir nachher noch eine Stunde, bevor ich zu Bett gehe, und fang schon mal an.«
»Ich glaube nicht, dass dein Dad das mit ›das Leben genießen‹ meinte, Megan.«
Sie blieb lieber bei einem sicheren Thema. »Soweit ich gesehen habe, sind einige der Seiten fast völlig verblasst. Aber abgesehen von ein paar kleinen Rechenfehlern wurden die Konten sehr sorgfältig und genau geführt. Bis auf die letzten beiden Seiten«, fügte sie an. »Die Zahlen ergeben keinen Sinn.«
»Stimmt das Ergebnis nicht?«
»Der Zusammenhang ist nicht klar. Ich muss mir das einfach genauer ansehen.«
»Manchmal ist man zu nahe dran, um deutlich sehen zu können.« Er blinzelte Julie zu, die die nächste Runde servierte. Dieses Mal Kaffee für Nathaniel. Sie wusste, dass er nie mehr als ein Bier trank, wenn er Auto fuhr. »Ich würde mir das Buch gern mal ansehen.«
Megan runzelte die Stirn. »Wieso?«
»Ich mag Puzzles.«
»Mit einem Puzzle hat das nur wenig zu tun, aber wenn die Familie nichts dagegen hat … dann habe ich auch keine Einwände.« Mit einem Seufzer lehnte sie sich zurück. »Sorry, aber ich kriege keinen Bissen mehr hinunter.«
»Kein Problem.« Nathaniel vertauschte seinen leeren Teller mit ihrem. »Ich erledige das schon.«
Zu Megans Erstaunen bereitete ihre restliche Portion Nathaniel keinerlei Schwierigkeiten. Dass Kevin alles von seinem Teller verputzt hatte, verwunderte sie dagegen nicht weiter. Sie wusste ja, welche Massen er verdrücken konnte. Und so wie der Junge wuchs und herumtollte, war es nur verständlich, dass er reichlich Energie brauchte. Doch bei Nathaniel …
»Hast du eigentlich immer solche Mengen gegessen?«, fragte sie auf der Rückfahrt.
»Nein. Aber ich wollte es. Als Kind hatte ich ständig Hunger.« Wahrscheinlich, weil nie Essen im Haus gewesen war. »Und auf See lernt man, so viel zu essen, wie man kann, weil man nie weiß, wie lange es vielleicht bis zur nächsten Mahlzeit dauern könnte.«
»Du müsstest über hundert Kilo wiegen.«
»Manche haben eben einen rasanten Stoffwechsel.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Wie du. Deine nervöse Energie verbrennt die Kalorien.«
»Ich bin nicht zu dünn«, murmelte sie.
»Das sage ich doch gar nicht. Anfangs dachte ich das, zugegeben, bis ich dich in den Armen hielt. Du bist biegsam wie eine Weidengerte, und du fühlst dich wunderbar weich an, wenn du dich an einen Mann schmiegst.«
Sie zischelte empört und sah hastig über ihre Schulter zurück.
»Keine Sorge. Er ist schon eingenickt, als wir noch keine zwanzig Meter weit gefahren waren.«
Tatsächlich. Kevin lag lang ausgestreckt auf der Rückbank, einen Arm unter dem Kopf, und schlief tief und fest.
»Obwohl ich nicht verstehe, was es dem Jungen schaden könnte, wenn er weiß, dass sich ein Mann für seine Mutter interessiert.«
»Er ist noch ein Kind.« Als sie sich wieder nach vorn drehte, war der milde Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwunden. »Er soll nicht denken, dass ich …«
»Was? Dass du auch nur ein Mensch bist?«
»Misch du dich da nicht ein. Er ist mein Sohn.«
»Das ist er«, stimmte Nathaniel anstandslos zu. »Und du hast großartige Arbeit mit ihm geleistet.«
Sie sah argwöhnisch zu ihm hin. »Danke.«
»Ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Du brauchst dich nicht zu bedanken. Es ist schwer, ein Kind allein aufzuziehen. Du hast den richtigen Weg gefunden.«
Es war ihr unmöglich, verärgert über ihn zu sein, vor allem, wenn sie daran dachte, was Coco ihr erzählt hatte. »Du hast deine Mutter früh verloren, nicht wahr? Äh … Coco erwähnte es.«
»Coco scheint eine Menge erwähnt zu haben.«
»Sie meint es nicht böse. Du weißt doch viel besser als ich, dass das nun einmal ihre Art ist. Sie ist so herzlich und macht sich immer Gedanken um die, die sie gern hat. Sie will doch nichts anderes, als jeden glücklich und zufrieden …«
»Als Paar vereint zu sehen. Ja, ich kenne sie. Sie hat dich für mich auserkoren.«
»Sie …« Megan brach ab, ihr fehlten die Worte. »Das ist doch lächerlich.«
»Nicht für Coco.« Er lenkte den Wagen lässig um eine Kurve. »Natürlich weiß sie nicht, dass ich ihre Absichten längst durchschaut habe.
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