DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Bürger und teile Ihnen mit, dass ich Präsident Rumäniens bin. […] Ich bin der Präsident des Volkes. Ich spreche nicht mit Provokateuren, ebenso wenig wie mit Putschisten und Söldnern.“
Staatsanwalt: „Ja, aber die Söldner bezahlen Sie.“
Elena C.: „Es ist unglaublich, was die sich da ausdenken. Es ist einfach unglaublich.“
Nicolae C.: „Ist es möglich, dass man uns so belastet?“
Ein herablassender Blick, ein breites, verächtliches Lächeln. Dann sieht er Elena an, hüllt sie gleichsam ein in seinen Blick, um sie zu beschützen. Häufig nimmt er ihre Hand und drückt sie kurz. Dann geht das Duell weiter.
Staatsanwalt: „Reden wir einmal über Ihre Konten in der Schweiz, Herr Ceauşescu.“
Elena C.: „Konten in der Schweiz? Da müssen Sie uns erst Beweise vorlegen.“
Nicolae C.: „Wir haben keine Konten in der Schweiz. Niemand hat ein Konto eröffnet. Das zeigt doch nur, wie falsch Sie liegen. Welche Verleumdung, welche Provokation! Das ist ein Staatsstreich.“
Elena, die das Verhör bis dahin ungläubig verfolgt hat, löst sich aus ihrer Starre und droht den Richtern mit dem Finger wie eine Mutter, die ihre unbotmäßigen Kinder ausschimpft. Immer noch liegt der Umschlag vor ihr, den sie immer wieder ansieht. Enthält er vielleicht die Nummern ihrer Konten in der Schweiz? Oder die Namen aller Regimegegner? Die Schlinge zieht sich zu. Der Staatsanwalt wendet sich wieder Elena zu:
„Sie haben ja immer so gerne Reden gehalten. Ganz Wissenschaftlerin. Sie waren dem Diktator eine große Hilfe. Die Nummer zwei in der Regierung. Was wissen Sie über den Völkermord in Timişoara?“
Elena C.: „Welcher Völkermord denn? Außerdem werde ich keine Fragen beantworten“, antwortet sie und macht eine wegwerfende Handbewegung.
Staatsanwalt: „Wissen Sie nun etwas über den Völkermord? Oder beschäftigen Sie sich als Chemikerin nur mit Polymerisation? Sie sind doch Wissenschaftlerin, oder?“
Die ehemalige Nummer zwei des rumänischen Regimes schweigt. Der Staatsanwalt beschließt, sie direkt anzugreifen. Er kennt ihre Achillesferse: ihren Ruf als Wissenschaftlerin. Diesen Ruf verteidigt sie leidenschaftlicher als ihr Leben.
Staatsanwalt: „Wer schrieb Ihre wissenschaftlichen Publikationen, Elena?“
Elena C.: „Was für eine Unverschämtheit! Ich bin Mitglied der Akademie der Wissenschaften. So können Sie nicht zu mir reden!“, empört sie sich und entgleist grammatikalisch nur ein klitzekleines bisschen.
Staatsanwalt: „Das heißt also, dass Sie als Vize-Premierminister nichts vom Völkermord in Timis¸oara wussten? […] So arbeiten Sie also für das Volk und erfüllen Ihre Aufgaben! Wer hat dann den Befehl zum Schießen erteilt? Beantworten Sie diese Frage!“
Elena C.: „Ich werde nicht antworten. Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass ich auf keine Fragen antworten werde.“
Nicolae C.: „Sie als Offiziere müssten doch wissen, dass die Regierung keinen Schießbefehl erteilen kann. Die Menschen, die die jungen Leute getötet haben, waren Terroristen.“
Elena C.: „Die Terroristen von der Securitate.“
Staatsanwalt: „Die Terroristen von der Securitate?“
Elena C.: „Ja.“
Daraufhin wird der Ankläger ganz offen beleidigend.
Staatsanwalt: „Sollten Sie bereits damals an einer Geisteskrankheit gelitten haben?“
Diese Bemerkung über die geistige Verfassung seiner Frau erbost Nicolae. Zum ersten Mal während der Befragung läuft sein Gesicht rot an, seine Augen werden blutrot.
Nicolae C.: „Wie bitte? Was fragt er uns da?“
Staatsanwalt: „Ob Sie damals bereits an einer Geisteskrankheit litten?“
Elena C.: „Ach, lassen Sie mich doch zufrieden!“
Staatsanwalt: „Diese würde Ihrer Verteidigung dienen. Wenn Sie unter einer Geisteskrankheit leiden und dies eingestehen, wird man Sie nicht für Ihre Handlungen zur Rechenschaft ziehen.“
Elena C.: „Wie kann man uns nur so etwas vorhalten? Wie kann man uns nur so etwas fragen?“
Allmählich nähert sich die Befragung ihrem Ende. Nicolae versteift sich darauf, dass dies kein ordentliches Gericht sei. Elena an seiner Seite hat sich aufgegeben. Sie sitzt unbeweglich da, ihre Augen starren ins Leere. Offensichtlich hat sie es schon begriffen: Sie und ihr Mann haben jegliche Macht verloren.
Nicolae C.: „Nein, wir werden nichts unterzeichnen. Auch die Verteidigung erkenne ich nicht an.“
Elena C.: „Wir werden keinerlei Erklärung unterschreiben. Wir werden nur vor der Nationalversammlung
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