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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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sprechen, denn wir haben unser ganzes Leben lang hart für unser Volk gearbeitet. Wir haben ihm unser Leben geopfert. Und wir werden das Volk hier nicht verraten.“
    Der Staatsanwalt verliest sodann die einschlägigen Artikel aus dem Strafgesetzbuch, das Elena vollkommen unbekannt ist. In ihren Augen ist alles das absurd … nur er nicht. Man beschuldigt ihn, eine Milliarde Dollar auf die Seite geschafft zu haben … „Das ist doch glatter Irrsinn“, scheint sie zu denken, während die Anklage verlesen wird. „Deshalb fordere ich die Todesstrafe.“ Sie lässt ihren Blick durch den Saal und über ihre Gegner schweifen. Dann dreht sie sich zu Nicolae um und sagt: „Schau sie dir an. Das sind unsere Kinder, die wir aufgezogen haben.“ Die Verteidigung legt ihr Mandat nieder [3] .
    Zu dem Wachmann, der ihr die Hände hinter dem Rücken zusammenbindet, um sie abzuführen, meint sie jammernd: „Du tust mir weh, mein Kind.“ In ihren Augen ist und bleibt sie die Mutter dieses Landes und all dessen, was in Rumänien kreucht und fleucht. Wie können ihre eigenen Kinder es wagen, die Hand gegen sie zu erheben? Ein letztes Mal versucht sie sich loszumachen, doch die Fesseln halten. Dann bittet sie ihre Richter um Gnade. Über Nicolaes Gesicht fließen die Tränen. Sie hatten immer zusammen sterben wollen.
    Das Erschießungskommando trägt Masken. Bevor sie hingerichtet wird, spricht Elena ihre letzten Worte, Worte, die um die ganze Welt gehen. Zu Nicolae sagt sie in einem letzten Aufflackern der in fünfzig Jahren Gemeinsamkeit gewachsenen Vertraulichkeit: „Nicule, man ermordet uns? In unserem Rumänien?“ [4]
    Die Soldaten legen an, um das Urteil zu vollstrecken. Der Diktator aber schreit: „Es lebe die freie und unabhängige Sozialistische Republik Rumänien!“ [5] Elena, deren Schal mittlerweile ihr Gesicht verdeckt, inszeniert währenddessen ihren letzten Akt der Aufopferung. Sie ruft: „Ich habe euch aufgezogen wie eine Mutter! Schießt, Kinder!“ [6]
    Der Umschlag vor ihr auf dem Tisch, den Elena keinen Moment aus den Augen ließ, enthielt nicht etwa die Nummern ihrer Schweizer Bankkonten, auch nicht die Liste möglicher Regimegegner, sondern eine Spritze. Insulin. Nicolae war Diabetiker und brauchte Insulin. Sie injizierte ihm bis zuletzt seine tägliche Dosis. Ohne sie hätte er nicht überleben können.
    Lebensweg einer aufmüpfigen Genossin
    Bukarest, 13. August 1939. Die Brünette mit den schmalen, zusammengekniffenen Lippen ist dreiundzwanzig Jahre alt. Lenuţa Petrescu will heute zum Ball im Veselie-Park, dem „Park der Freude“.
    Lenuţa gehört nicht gerade zu den mädchenhaften Vertreterinnen ihres Geschlechts in der Zwischenkriegszeit. Sie ist aufmüpfig und ziemlich vorlaut. Daher verblüfft es sie selbst am meisten, als sie am Arm ihres neuen Freundes Nicolae zur Ballkönigin erkoren wird.
    Die Königin dieses Abends ist ein Bauernmädel aus Petresti, einem kleinen Dorf in der nördlichen Walachei, wo sie am 7. Januar 1916 geboren wurde. Lenuţa erhält eine eher lückenhafte Erziehung und muss von der Schule abgehen, ehe sie aufs Gymnasium wechseln kann. Immerhin hat sie Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen erworben. Diesen Mangel an Bildung, der ihr schwer zu schaffen macht, wird sie zeit ihres Lebens durch Betonung ihrer Weiblichkeit zu überdecken versuchen. Doch hat die Natur ihren Körper nur spärlich mit den Attributen der Verführung ausgestattet. Aber dies spielt weiter keine Rolle, denn Lenuţa kompensiert diesen Mangel mit Eigensinn und einem ordentlichen Mundwerk. Schon mit dreiundzwanzig Jahren ergreift sie in der Öffentlichkeit mutig das Wort und hält Ansprachen. Und jetzt ist sie auch noch Ballkönigin. Nicolae ist hingerissen.
    Ihre Eltern haben sie in die Hauptstadt geschickt in der Hoffnung, dass sie in Rumäniens gerade entstehender Industrie Arbeit findet. Und tatsächlich erhielt sie eine Anstellung bei einem Textilunternehmen. Aufsässig und unbeirrbar wie sie war, wusste sie sich in den ständigen Auseinandersetzungen zwischen Arbeiterschaft und Fabrikherren schnell Respekt zu verschaffen.
    Bald schließt sie sich gewerkschaftlich organisierten Arbeiterkreisen an und nimmt an deren geheimen Treffen teil. Die Kommunistische Partei Rumäniens wird seit 1936 von König Carol II. verfolgt. Der Spanische Bürgerkrieg hat das politische Klima in Europa verschärft. Die Regierung verstärkt ihre Hatz auf Kommunisten. Doch auch die Eiserne Garde, ein

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