DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
alle Bukarester sich erholen. Dort können die Ceaus¸escus ihrer Lust auf Luxus und Reinheit endlich freien Lauf lassen. Das Haus ist ganz aus weißem Marmor und thront hoch über dem See, dessen Wasser gefiltert wird. Man unternimmt Ausfahrten mit der präsidentiellen Jacht, und Elena und Nicolae kleiden sich als Segler – ganz in Weiß.
Doch dies ist nur der Vorgeschmack auf den Präsidentenpalast, den die beiden 1984 beziehen – letztes Zeichen ihres geteilten Größenwahns. Ursprünglich sollte der Palast gebaut werden, um die vier großen Institutionen des politischen Lebens in Rumänien unter einem Dach zu vereinen – die Arbeitsräume des Präsidenten, die Nationalversammlung, den Ministerrat und den Obersten Gerichtshof. Künftig würden diese vier im Glorienschein rumänischen Stils erstrahlen. Ein einziger Bau von schier unglaublichen Dimensionen, in dem Nicolae Ceauşescu und seine Frau Elena unumschränkt herrschen würden. Der äußere Anlass für den Bau, der bis heute das zweitgrößte Regierungsgebäude nach dem Pentagon ist, war das Erdbeben in Bukarest 1977.
Diese Naturkatastrophe erschreckte Ceauşescu zutiefst. Der Anblick all der Toten und Verwundeten unter den Trümmern beunruhigte ihn. Die Ärzte in den Hospitälern registrierten ausnahmslos den ungewohnten Gemütszustand des Diktators, der sich weigerte, jemandem auch nur die Hand zu geben. Er hütete sich, auch irgendetwas anzufassen. Nach dieser Erfahrung wollte er sich einen Bunker bauen, einen Zufluchtsort.
Zuerst gibt er ein seismologisches Gutachten in Auftrag. Danach wählt er den Standort des neuen Bauwerks aus: 520 Hektar erdbebensicheres Gelände. (In Paris wären dies drei ganze Stadtviertel.) Man siedelt 40.000 Menschen rücksichtslos um und reißt dreißig Kirchen ab. Eines der ältesten Viertel Bukarests, das noch aus dem 18. Jahrhundert stammt, wird dem Erdboden gleichgemacht. 1983 beginnen die Arbeiten. Man fühlt sich unwillkürlich an den Pyramidenbau der Pharaonen erinnert: 20.000 Arbeiter schuften unter der Leitung von Anka Petrescu Tag und Nacht. Eineinhalb Jahre später erhebt sich der Bau von 45.000 Quadratmeter Grundfläche. Und die Wohnfläche? Schlappe 350.000 Quadratmeter. Endlich hat Nicolae sich eine Bleibe nach seinem Geschmack geschaffen: Kein Lüftchen weht mehr, keine Mikrobe wagt es, ihr schändliches Haupt zu erheben.
Wie seine letzte Wohnstatt wurde auch der neue Regierungspalast aus rumänischem Marmor errichtet – fast eine Million Kubikmeter. In ihren privaten Gemächern lassen die Ceauşescus, die immer mehr der Obsession der Reinlichkeit verfallen, unglaublich viele Badezimmer einbauen, alle überreich dekoriert. Im Whirlpool sind die Wände mit blau-weißen Kacheln in floralen Mustern geschmückt. Ein weiteres Bad ahmt türkische Dampfbäder nach – mit malvenfarbenen Mosaiken in persischem Stil. Natürlich gibt es auch einen beheizten Swimmingpool. Die große Halle ziert ein gigantisches Mosaik, das Pfauen und andere Vogelarten vor einem Regenbogen zeigt. Nun hat Rumänien seinem Präsidenten sozusagen ein Cockpit gegeben, in dem er mit seiner Frau ohne großen Kontakt zur umgebenden Welt lebt. Die Ceauşescus wachen übereinander und hegen und pflegen ihre wechselseitigen Neurosen.
In Stil und Organisation hat Nicolae sich bei der Planung des Palastes sicher am Buckingham Palace orientiert, den er bei seinem Besuch von Königin Elizabeth II. kennengelernt hatte. Da die britische Regierung Rumänien militärische Ausrüstungsgüter verkaufen wollte, empfing man den Mann, der den Einflüsterungen des kommunistischen Blocks scheinbar zu widerstehen wusste, mit großem Pomp und brachte ihn gar im Palast unter. Doch Nicolae unterwarf sich dem königlichen Protokoll nur bedingt. Zum einen brachte er zum Abendessen bei der Königin einen Vorkoster mit. Zum anderen weigerte er sich, der Königin die Hand zu geben, weil er Angst vor Bakterien hatte. Seine Leibwachen hatten stets hochprozentigen reinen Alkohol bei sich, damit er sich desinfizieren konnte.
Und Nicolaes Neurosen brachen sich immer ungehemmter Bahn. Eines Tages empfingen sie eine Delegation von Schülern im Palast, die dem Paar einen Blumenstrauß überreichen wollten. Zwei von ihnen wurden auserwählt: Sie würden vom illustren Paar in aller Öffentlichkeit umarmt werden. Allerdings musste sich vorher die ganze Gruppe einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Auserwählt wurden die beiden, von denen keinerlei Ansteckungsgefahr
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