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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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den neuen Revolutionären.
    Angelica schließt ihre Rede mit einer Anspielung auf „Mütterchen Russland“, das heilige Russland, das leidet und leidenschaftlich auf eine bessere Zukunft hofft. Dann sinkt sie, bleich und erschöpft, in ihrem Stuhl zusammen. Tränen stehen in ihren Augen. „Wir weinten alle, die wir um den Tisch standen, wir alle waren ebenso bleich wie aufgewühlt“, schreibt Margherita.
    Der lebhafte Eindruck, den Angelicas Vortrag bei ihr hinterlassen hatte, verlangte geradezu nach einer Fortsetzung der Beziehung. Angelica, die sich jahrelang für die eingewanderten italienischen Arbeiter in der Schweiz eingesetzt hatte, ging nach Mailand. Dort wurde sie schnell in die Führungsspitze der Sozialistischen Partei Italiens gewählt. Und sie erhält Gelegenheit, ihren Hickhack mit Margherita fortzusetzen.
    1912 tritt Anna Kulischow auf den Plan, eine weitere Amazone der im Entstehen begriffenen feministischen Bewegung. Sie gibt den beiden Gelegenheit, gemeinsam ihre Ziele zu verfolgen. Die drei gründen La Difesa delle Lavoratrici (Verteidigung der Arbeiterinnen), eine Zeitschrift, die den Italienerinnen politisches Bewusstsein vermitteln soll. Margherita trägt einen großen Teil der Kosten aus ihrem Privatvermögen.
    Die kleine Zeitschrift bringt drei der einflussreichsten Frauen der Sozialistischen Partei Italiens zusammen. Doch es gibt noch etwas, was die drei verbindet: ihre Bewunderung für einen jungen Provinzpolitiker mit starkem Akzent und impulsiver Gestik. Auf diese Weise wurde Mussolini zum Herausgeber von Avanti! . Seine Persönlichkeit, seine Erfahrungen, sein Sinn für Formulierungen, sein unermüdlicher Eifer und sein hypnotischer Blick überzeugen die drei Frauen, die es wiederum verstehen, die Führer der Sozialistischen Partei auf ihre Seite zu bringen. Mussolini nimmt die Ernennung an. Es ist ihm gelungen, die drei Frauen zu verführen. Von Angelica geprägt, die ihm bei seiner neuen Tätigkeit behilflich sein wird, hat er drei Intellektuelle zu seinen Steigbügelhalterinnen gemacht. Jetzt kann Benito den Aufstieg wagen.
    Die drei Amazonen allerdings kommen nicht gerade gut miteinander aus. Bei den Redaktionssitzungen fliegen bald die Fetzen. Margherita wünscht natürlich, dass ihre Artikel in der Zeitschrift erscheinen, doch sie muss sie ihren Mit-Herausgeberinnen vorlegen. Und ihre finanzielle Beteiligung sichert ihr unter diesen jungen, unnachgiebigen Idealistinnen keineswegs eine Sonderstellung. Ihre Artikel über das Frauenwahlrecht werden abgelehnt. Da Margherita auf der Veröffentlichung besteht, kommt es zum Krach mit Anna Kulischow, die sie schlicht hinauswirft: „Sie machte mir vor den erstaunten Augen der ganzen Redaktion eine fürchterliche Szene wie eine Zarin, die gegen den aufmüpfigen Muschik ihre Knute erhebt. Und so ging ich, ein zerbrochenes Ideal an mein blutendes Herz drückend.“
    Nach ihrer Verbannung aus dem Redaktionsstab der feministischen Zeitschrift versucht Margherita, Angelica von dem Platz zu verdrängen, den sie in Mussolinis Herzen und Geist einnimmt. Die beiden Kontrahentinnen haben zwar einiges gemeinsam, doch im Grunde sind sie so verschieden wie Tag und Nacht. Angelicas Gebaren, das eher mönchisch ist als weiblich, findet vor den Augen der raffinierten Venezianerin keine Gnade. Sie gesteht ihr zwar eine unglaubliche Intelligenz zu, bezeichnet sie aber gleichzeitig als „klein und verwachsen“. Angelica stellt in ihren Augen eine recht seltsame Mischung dar: „Sie hat Marx und den Marxismus aufgesogen wie einen religiösen Fetisch mit geradezu besessener Kraft, und nun verkündete sie das Evangelium des Herrn mit demselben Feuer, wie es religiösen Eiferern eigen ist, und mit einer Leidenschaft, die so ansteckend ist wie Scharlach. Ich kann sie mir gut in einer mittelalterlichen Prozession vorstellen oder in der Grotte von Lourdes, wie sie sich selber peitscht, um endlich das Wunder zu erzwingen …“. [11]
    Die kleine Gruppe spaltet sich. Aus den ideologischen Grabenkämpfen wird eine Schlacht unter Amors Banner. Margherita, die ihre Artikel unbedingt gedruckt sehen möchte, klopft Ende 1912 an die Tür des neuen Chefredakteurs von Avanti! . Die verführerische Blondine mit den smaragdgrünen Augen hat sich gut auf das Treffen vorbereitet. Sie trägt einen langen schwarzen Mantel mit elegantem Hermelinkragen, dazu ein keckes Pelzkäppchen. Kaum in der Redaktion der Zeitung angekommen, die sie ebenfalls mitfinanziert, begibt sie sich

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