DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Valentine de Saint-Point aus, mit der sie ein Verhältnis hat. Die eine trägt Frack und Zylinder, die andere eine griechische Toga. Doch wenn sie nachts auch mit den décadents des Fin de Siècle feierte, so nahm sie sich tagsüber doch die Zeit, Charles Péguy an der Sorbonne zu besuchen, dessen Werke sie in der kleinen Druckerei Cahiers de la Quinzaine drucken ließ.
Margherita lässt Benito also seine Lust an der Vergewaltigung allein ausleben. Er hat zahllose Mätressen, und seine Nachkommen mehren sich mit schöner Regelmäßigkeit. 1913 bringt Fernanda Oss, eine militante russische Jüdin, die er in Trient kennenlernte, den kleinen Benito Rebel zur Welt, den Mussolini trotz flehentlicher Bitten der armen Mutter nicht als seinen Sohn anerkennt. Er lässt sich nicht erweichen, das Kind erfährt von ihm keinerlei Zeichen der Zuneigung, auch nicht, als es im Alter von zwei Jahren schwer erkrankt. Nicht einmal sein Tod kann den herzlosen Vater rühren. Margherita lässt er wissen, dass dieses Ende der Angelegenheit für ihn „eine große Erleichterung“ sei.
Lass doch die Faschisten in Venedig
Benitos Eskapaden rührten Margherita wenig. Für sie ist er der Mann der Tat, der die Ideen der sozialistischen Avantgarde zum Triumph führen wird. Sie glaubt an seine politische Zukunft und daran, dass er sie braucht, um diese Wirklichkeit werden zu lassen.
Zum größten Leidwesen von Anna Kulischow finden die Ideen des Pärchens Mussolini-Sarfatti nämlich mehr und mehr Zuspruch: „Seine Aufrufe sind die eines unverantwortlichen Irren. Dieser Mussolino (schreibt sie in Anspielung an einen sizilianischen Banditen des 19. Jahrhunderts) ist ein gefährlicher Hitzkopf. Und dieser versammelte Wahnsinn steht nun an der Spitze der Partei. Es ist ein Albtraum.“ Die Scheidungspapiere mit den einstigen Verbündeten sind sozusagen schon unterzeichnet. Rechtskräftig aber wird die Trennung erst im Augenblick der Kriegserklärung.
Im Herbst 1914 befragt Italien sich selbst. Soll es an der Seite von Deutschland und Österreich-Ungarn in den Krieg ziehen? Oder soll es sich Frankreich und Großbritannien anschließen, damit es die letzten italienischen Ländereien unter österreichischer Oberhoheit zurückerhält? Im Mai 1915 entscheidet Italien sich endlich für die Allianz mit Frankreich und erklärt Österreich den Krieg. Benito ist nun kein Journalist mehr, sondern Soldat. Im September 1915 ruft man ihn an die Alpenfront, wo die italienische Armee versucht, den Österreichern dagegenzuhalten. Der Soldat Mussolini trägt die Uniform zwei Jahre lang. An der Front allerdings bleibt er nur für etwa einen Monat, im Schützengraben verbringt er sogar nur einige Tage. Doch er schlägt sich wacker, ja wild. Und sorgt später dafür, dass auch jeder dies erfährt. Er strickt mit Eifer an seiner Legende. Im Februar 1917 steckt er eine Granate in einen Mörser, diese explodiert und reißt fünf Männer in den Tod. Mussolini selbst wird schwer verletzt, Granatsplitter stecken überall in seinem Körper. Er muss mehrfach operiert werden und erkrankt gefährlich an Wundbrand. Um sein Bein zu retten und das infizierte Gewebe, schneidet man die Wunde bis auf den Knochen auf. Aus der Operation erwacht er in katatonischer Starre, die mehrere Wochen andauert. Margherita eilt sofort an sein Bett.
Im August, als Mussolini das Lazarett verlässt, lebt ihre Beziehung wieder auf – mit einigen Fehlzündungen. Mussolini, den nichts in Verlegenheit bringt, sollte später einer seiner Geliebten folgende Geschichte erzählen: 1918 hielt das Paar sich in Mailand auf. Eines späten Abends brachte Mussolini Margherita zum Taxi. „Sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, dass ich Sie lieben könnte? Denn ich liebe Sie tatsächlich“, gesteht sie ihm.
Benito lässt ihren Worten Taten folgen. „Wir stiegen ins Taxi. […] Danach geschah im Hotel etwas Schreckliches. Ich brachte nichts zustande. Ich glaubte, es lag an der Stellung, und habe mehrfach gewechselt. Aber nein, es ging nicht. Vermutlich war es der Geruch ihrer Haut.“ [13]
Das Paar verbrachte mittlerweile den Großteil seiner Zeit zusammen, ob in den Redaktionsräumen oder in den schicken Mailänder Salons. Margherita bedurfte mehr denn je der Aufmerksamkeit und Zuneigung eines Mannes. 1918 nämlich ist für sie ein Jahr der Trennungen. Angelica, die Freundin aus sozialistischen Jugendtagen, verlässt Mailand, um sich einem anderen charismatischen Führer anzuschließen: Lenin. Margherita
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