DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
empfindet dies als Verrat und ätzt gegen die einstige Gefährtin. „Sie hatte keinerlei Sinn für Humor oder Schönheit. Zum Glück, sonst hätte sie sich in den nächsten Brunnen gestürzt, obwohl sie ansonsten mit Wasser selten in Berührung kam.“ Doch sie würde die Genossin, die ihr so nahegestanden hatte, nicht vergessen. Margherita macht sich über sie mit einer Bosheit lustig, wie dies nur eine Frau fertigbringt: über ihre unförmige Silhouette, ihre schlaffen Brüste, ihre stets im Staub der Straße schleifenden Röcke und ihre fettigen Haare, „in denen alle Tierchen der Schöpfung hausten“. Wann immer die Rede auf Angelica kam, erfolgte unweigerlich der Hinweis auf ihre „platte kalmückische Hässlichkeit“.
Im Januar 1918 verlor Margherita darüber hinaus ihren Sohn im Schützengraben. Einer seiner Kameraden hatte ihr eine Strähne seines roten Haares geschickt. Tröstende Worte trafen von allen Seiten ein. Gabriele D’Annunzio, italienischer Fliegerheld und künftiger Rivale Mussolinis um den Platz an der Spitze der faschistischen Bewegung, schrieb ihr einen Brief:
„Ich würde diesen sublimen Tod nicht anerkennen. Habe ich nicht auch zu ihm gesprochen, als ich zu unseren jungen Rekruten sprach? Hat er mich nicht gehört? Warum nur habe ich ihn nicht kennengelernt? Sicher hätte ich ihn unter Tausenden erkannt. Ich will nicht trösten. Ich selbst bin untröstlich. Aber ist er nicht näher jetzt, ist sein Dasein nicht dauerhafter und lebendiger als damals, als Ihre Finger noch durch sein schönes Haar fuhren?“
Margherita kannte D’Annunzio schon seit etwa zehn Jahren und gehörte zu seinen Bewunderinnen. Der Patriot und Poet wusste sie zu begeistern durch seine Heldentaten in den Lüften ebenso wie im Feld. Da Margherita damals eine sehr bekannte Persönlichkeit war, beschloss sie, zwischen dem ungehobelten Benito und dem ritterlichen Gabriele eine Verbindung herzustellen. Das Treffen fand im Juni 1919 statt. Und sofort kommt es zwischen den beiden Protagonisten der kommenden nationalen Revolution zu Eifersüchteleien. Benito ist über D’Annunzios Vorschlag, Margherita möge ihn doch auf dem ersten Flug von Rom nach Tokio begleiten, ganz und gar nicht begeistert. Sie will unbedingt mit, doch Benito, der gerade seine ersten Flugstunden nimmt, ist damit nicht einverstanden. Es geht also nicht nur um die politische Macht, die Rivalität zwischen den beiden hat auch privaten Charakter. Schließlich fällt das Projekt aus anderen Gründen ins Wasser.
Ohnehin hat D’Annunzio Höheres vor. Am 11. September marschiert er an der Spitze alter Kampfgenossen im kleinen Adriastädtchen Fiume (Rijeka) ein. Der Vertrag von Versailles, der dem 1. Weltkrieg ein Ende setzte, sprach dieses von Italienern bewohnte Städtchen nämlich keineswegs Italien zu. Mussolini, von diesem Manöver völlig überrascht, konnte nichts anderes mehr tun, als dem Rivalen seine volle Unterstützung zuzusichern. In seiner Zeitschrift verspricht er, Gelder für D’Annunzios Operation zu sammeln und dem Dichter alsbald seinen Besuch abzustatten. Und so schifft er sich mit Margherita nach Venedig ein, um von dort aus weiter nach Fiume zu reisen, das D’Annunzio mittlerweile zum eigenständigen Stadtstaat ausgerufen hat.
Doch sobald die beiden in Margheritas Heimatstadt eintreffen, hat das immer noch flitternde Paar in der Dogenstadt anderes zu tun. Sie wissen, dass sie von der Polizei überwacht werden, und so bringen sie ihre Zeit damit zu, in den engen Straßen und Kanälen, die Margherita seit ihrer Kindheit kennt, ihre Bewacher abzuschütteln. Mussolini findet dieses Katz-und-Maus-Spiel mit seiner mutigen Begleiterin äußerst stimulierend und zögert seine Fahrt nach Fiume hinaus. Als man ihm einen Platz auf einem Kriegsschiff anbietet und später in einem Wasserflugzeug, bringt er jedes Mal andere Ausreden vor. Einmal ist es das Wetter, dann wieder die Gefahr. In Wirklichkeit aber geht es darum, diese Reise, die für Margherita und ihn eine Art Hochzeitsreise ist, so lange wie möglich auszudehnen. Er weigert sich sogar, per Auto zu D’Annunzio gebracht zu werden. Andere Dinge sind ihm jetzt wichtiger. Vor dem anstehenden Wahlkampf will er sich nur noch amüsieren.
Doch der Berg kreißte und gebar eine Maus. Als Italien im November 1919 an die Urnen schreitet, macht Mussolini sich lächerlich. Er fährt eine beschämend geringe Stimmenanzahl ein und verfällt prompt in Depressionen. Mit Margherita spricht er über
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