DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
soll zum Ministerpräsidenten ernannt werden.
Margherita ahnte, dass Mussolinis großer Augenblick gekommen war. Sie rät ihm, zu fahren und trotz seiner Melancholie und seiner Zweifel das Feld nicht seinem Rivalen D’Annunzio zu überlassen. Doch dieser ist längst geschlagen. Und doch beschleunigt sie damit jene Ereignisse, die Benito von ihr entfernen sollten. Seine neuen Aufgaben erfordern seine Anwesenheit in Rom. Am selben Abend nimmt er den letzten Zug, der von Mailand nach Rom geht. Nachdem das Paar in Mailand an einer Parade teilgenommen hat, bringt Margheritas Wagen ihn zum Bahnhof. Draußen jubelt ihm die Menge zu. Die beiden Liebenden trennen sich und halten dabei ihre Emotionen zurück. Die Zeit der täglichen Komplizenschaft ist vorüber.
Mussolini in Rom
Die erste Zeit, die Mussolini in Rom verbringt, geht wie im Flug an ihm vorüber. Zwei Monate lang ist er ganz auf seine neue Aufgabe konzentriert. Nur zum Jahreswechsel kehrt er nach Mailand, in Margheritas Arme, zurück. Kaum ist er in der Stadt angekommen, erhält sein Chauffeur schon den Befehl, ihn zu der Venezianerin zu bringen:
„Der Duce befahl mir zu später Stunde, ihn zum Corso Venezia zu bringen. Er zeigte auf ein Portal, vor dem ich stehen blieb. Er stieg aus und bat mich zu warten. Ich fragte mich, wen er wohl in diesem Haus kannte, denn er hatte mich schon tagsüber dort anhalten lassen. […] Da kam die Zofe herunter, um meine Bekanntschaft zu machen. […] Sie erzählte mir, dass es sicher noch mehr solcher Besuche geben werde, denn dies sei das eigentliche Zuhause Mussolinis, das Haus von Signora S. Sie sagte mir, dass wir am nächsten Tag zu einer Villa am Comer See fahren würden. Und tatsächlich verbrachte Mussolini den Vormittag des nächsten Tages in der Präfektur, am Nachmittag aber fuhren wir – mit ihm am Steuer – an den Comer See zu einer kleinen Villa, die Signora S. gehörte. […] Dort blieben wir zwei Tage lang. […] Die Zofe erzählte mir so manches aus dem Leben der beiden Liebenden, unter anderem, dass der Ehegatte der Signora jedes Mal das Haus verließ, sobald Mussolini kam. Sie erzählte mir auch, was im Schlafzimmer der beiden passierte, Dinge, die ich hier nicht wiedergeben kann, weil sie eines Bordells würdig sind.“ [14]
Ercole Boratto, der von 1922 bis 1943 Mussolinis Chauffeur war, ist ein wertvoller Zeuge, was das Privatleben des „Duce“ angeht. Bald zieht er aus den Fahrdiensten, die er für Benito leistet, den Schluss, dass dieser nun, wo er an der Macht sei, nicht nur ein Volk zu regieren, sondern auch eine ganze Reihe von Frauen zu lieben und glücklich zu machen habe. „Sein höchster Wunsch ist es“, enthüllt Boratto in seinen Aufzeichnungen, „nach der Arbeit in einem der Ministerien eine seiner Geliebten aufzusuchen und dort seine außerberuflichen Pflichten zu erledigen.“
Die kurzen Besuche Benitos in Mailand genügen Margherita freilich nicht. Sie hat Sehnsucht nach Mussolini. Außerdem ist ihr sehr wohl klar, dass ihr Benito in Liebesdingen über eine Menge Energie verfügt und folglich Affären haben muss. Sie läuft also Gefahr, den ersten Platz im Herzen des neuen italienischen Staatschefs zu verlieren.
Vor allem eine Frau erregt ihre Eifersucht: Romilda Ruspi. Sie weiß, dass Romilda Mussolinis Mätresse in Rom ist. Sie hofft auf ein paar Tage Ferien, die sie mit Benito in Castel Porziano verbringen will, einem Jagdschloss, das ihr der König so großzügig zur Verfügung stellt. Dort will sie ihn von diesem Frauenzimmer abbringen. Die beiden schwimmen im Meer, liegen faul in der Sonne und erneuern ihre Liebe mit einer Selbstverständlichkeit, die ihnen in den Tagen der Verantwortung abhandengekommen ist. Doch Mussolinis Mätressen machen nicht einmal vor diesem Rückzugsort Halt und rauben Margherita den Schlaf. Ercole Boratto berichtet:
„Eines Tages, als der Duce gerade mit der R. beschäftigt war, benachrichtigte man mich telefonisch, dass die S. sich dem Strande nähere. […] Ich beschloss, die Situation nach bestem Vermögen selbst zu regeln und ging ihr entgegen, um sie aufzuhalten. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass sie den Duce jetzt nicht sehen könne, da er mit einem Beamten des Außenministeriums spreche, der wegen einer äußerst dringenden Angelegenheit gekommen sei. Ich sah sofort, dass sie mir nicht glaubte. […] Sie verlangte zu wissen, wer der Besucher sei, und so musste ich sie ein zweites Mal anlügen und vorgeben, ich kenne ihn nicht. Dann
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