DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
seine Zukunftsaussichten: „Ich könnte wieder Maurer werden, ich bin ein sehr guter Maurer! […] Oder ich reise mit meiner Violine um die Welt: Es ist doch toll, ein fahrender Musiker zu sein! […] Oder ich werde Schauspieler und Autor zugleich! Mein Drama ‚Die Lampe ohne Licht‘ ist schon fast fertig. Ich muss es nur noch niederschreiben.“
Diese Hirngespinste eines an sich irre Gewordenen kommen der energischen Margherita gerade recht. In den folgenden Monaten gibt sie sich alle Mühe, den geschlagenen Benito wieder aufzurichten. Sie schleift ihn durch ganz Italien. Auf diesen Reisen krempelt er mit ihrer Hilfe seine Anschauungen so um, wie es sich für einen künftigen Faschisten gehört. Sie nimmt ihn nach Neapel mit, ans Meer, dann wieder für einige Tage nach Venedig, zu den Antiquitätenhändlern des jüdischen Ghettos und ins Teatro Goldoni. Abends entspannen sich die beiden im luxuriösen Hotel Danieli.
Das Jahr 1920 beginnt Mussolini mit eiserner Disziplin und einem neuen Ziel: die Macht mithilfe von Veteranenverbänden wie D’Annunzios Arditi und den Fasci, militanten politischen Gruppierungen, zu ergreifen. Margherita an seiner Seite schmiedet die faschistische Ideologie dazu.
Denn seine geliebte „Vela“ begnügt sich nicht damit, ihn seelisch wieder aufzubauen. Sie will ihren Benito politisch an vorderster Front sehen. Dazu müssen sie zunächst die Basis verbreitern, die ihr neues Credo in die Welt hinausträgt. So lancieren sie neben der schon 1914 gegründeten Zeitschrift Il Popolo d’Italia ein neues politisches Magazin mit dem Namen Gerarchia (Hierarchie). Margherita wird die Herausgeberin. Sie wählt ihre Mitarbeiter ausschließlich aus ihrem Bekanntenkreis und räumt der Kulturberichterstattung viel Platz ein. Sie fördert zahlreiche futuristische Künstler wie Mario Sironi. Der Faschismus soll ja eine Avantgarde-Bewegung werden, in jeglicher Hinsicht.
Doch noch fehlen der faschistischen Maschinerie, die unter ihrer Ägide geschaffen wird, die finanziellen Mittel. Damit dies den Vormarsch der Bewegung nicht etwa hemmt, spendet sie selbst der Partei 1 Million Lire.
Natürlich wollte sie ihren Einsatz wiederhaben. Sie erkannte, dass Benitos Zeit gekommen war, und so ermutigte sie ihn, den Marsch auf Rom zu organisieren. Mussolini, dessen militante Trupps im Italien der beginnenden Zwanzigerjahre omnipräsent waren, wollte seinen Triumph nicht auf Blut gründen. Für einen Erfolg auf ganzer Linie braucht er die Legitimität. Er will ganz legal an der Spitze Italiens stehen. Die Regierung ist gescheitert, doch der König zaudert noch, dem Faschistenführer die Zügel in die Hand zu geben. Daher drängt Margherita ihn – wie seine Freunde –, den Druck zu erhöhen. Er organisiert in den großen Städten Demonstrationen seiner Macht. Im Norden werden staatliche Einrichtungen von Faschisten besetzt. Als Mussolini zögert, seine Anhänger nach Rom zu schicken, stachelt sie ihn mit einem Ausspruch der großen byzantinischen Kaiserin Theodora neuerlich auf: „Nun heißt es ‚Marschieren oder sterben‘, aber ich bin sicher, dass du marschieren wirst.“
Als er erfährt, dass seine faschistischen Anhänger sich in Bewegung gesetzt haben, will auch Mussolini marschieren, aber lieber ins Ausland. Am Abend des 26. Oktober, als seine Truppen vor den Toren Roms stehen, befinden die beiden Liebenden sich im Teatro dal Verme in Mailand. Während der Aufführung erreicht Mussolini ein Telefonanruf: Die Operation hat begonnen. Wie vor den Kopf geschlagen steht Mussolini auf und verlässt seine Loge. Zu Margherita sagt er: „Es ist so weit. Adieu.“ Margherita folgt ihm. Er vertraut ihr an, dass er eigentlich nicht durch einen Putsch an die Macht kommen wolle, zieht sie an sich und flüstert ihr ins Ohr: „Fahren wir nach Soldo. Lass uns ein paar Tage in der Schweiz verbringen und abwarten, was passiert.“ Die Blondine wirft ihm einen finsteren Blick zu. Natürlich steht eine Flucht vollkommen außer Frage. Wenn Mussolini sich jetzt ins Ausland absetzt, während seine Anhänger für ihn kämpfen, würde ihm dieser Schandfleck ewig nachhängen. Was soll er seiner energischen Herrin schon entgegnen? Schweigend kehrt er mit ihr in die Loge zurück. Ihr Blick richtet ihn auf. Sie sieht in ihm den künftigen Herrn Italiens. Mit neu erstarktem Selbstbewusstsein fordert er in einem Leitartikel seiner Zeitung die Macht. Am 29. Oktober 1922 erhält er ein Telegramm, das ihn zum König bestellt: Er
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