DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
fragte sie mich, ob es nicht zufällig Fräulein R. sei. Dies verneinte ich, doch an diesem Punkt bekam sie einen Wutanfall. Sie setzte mit dem Wagen zurück und fuhr ab, mich wüst beschimpfend.“
Margheritas Verdacht ist begründet. Denn bald sollten ihre schlimmsten Befürchtungen vor ihren Augen fleischliche Gestalt annehmen: „Ich habe direkt unter ihrer Nase andere Frauen gehabt. Ester Lombardo zum Beispiel oder Tessa. Ja, ich habe sie einfach so genommen. Und sie, sie war da. Sie hat mir zugesehen und sich damit begnügt, mir eine Handvoll Kies gegen das Fenster zu werfen“, erzählt Mussolini, den die Geschichte amüsiert [15] .
Doch Margherita rüstet sich zur Gegenoffensive gegen Mussolinis zu offensichtliche Affären. Im März 1923 bringt sie ihn dazu, der vorher im Grand Hotel wohnte, in den Palazzo Tittoni zu übersiedeln, der in der Via Rasella in Rom liegt. Mussolinis Zimmer ist wie der Rest des alten Palazzo recht düster eingerichtet. An den Wänden schimmern rot-schwarze Tapisserien. Der Raum ist möbliert. Neben dem Bett des einstmals antiklerikalen Sozialisten Mussolini hat sie einen Betstuhl aufstellen lassen. Eine kleine Vitrine zeigt eine Sammlung religiöser Gedenkmünzen. Und sie führt noch einen weiteren geschickten Schachzug aus: Margherita engagiert eine Haushälterin, die ebenso energische wie gestrenge Cesira Carocci, die einst D’Annunzio diente. Margherita hat diese Frau, die den Ansturm ihrer Rivalinnen abwehren soll, höchstpersönlich ausgewählt. Wenn Benito trotzdem andere Frauen in sein Bett holt, macht der dienstbare Maulwurf sofort Meldung an seine Herrin.
In diesen Jahren herrscht Margherita über das Privatleben des neuen Herrn von Rom. Mehr und mehr tritt sie als offizielle Konkubine in Erscheinung. Rachele, Benitos Frau, lebt hingegen immer noch in Mailand. Cesare Sarfatti, Margheritas Ehemann, stirbt im Mai 1924. Nun steht ihrem Zusammenleben also nichts mehr im Wege. Margheritas halboffizieller Status trägt ihr Ruhm und Ehre ein. Wenn sie ein Theater betritt oder einer öffentlichen Vorführung beiwohnt, erhebt sich die Menge, um der Favoritin zu applaudieren. Königin Elena hat sie gar zur Hofdame ernannt und prahlt damit, ihre Freundin zu sein. Sie ist regelmäßiger Gast im Regierungssitz, dem Palazzo del Quirinale, wo sie jeder offiziellen Zeremonie beiwohnt.
Mussolini braucht jemanden, der Ordnung in sein Privatleben bringt. Sein Leben in Rom ist ein täglicher Hindernislauf, und seine Stellung als Ministerpräsident reibt ihn auf. Jeden Tag muss er sich seinen Gegnern im Parlament stellen und mit einer Regierung zusammenarbeiten, die sich nicht ausschließlich aus Faschisten zusammensetzt. De facto sind die Faschisten im Parlament sogar in der Minderheit. Außerdem hat er noch das Innen- und Außenministerium übernommen, weil er dem Land zeigen will, dass er die wahre treibende Kraft im Staat ist. Von der Diktatur ist man Anfang 1924 noch weit entfernt. Und doch wird der Chef der parlamentarischen Opposition, Giacomo Matteotti, bei helllichtem Tag entführt und auf grausame Weise ermordet, was das ganze Land entsetzt. Das kann ja nur Mussolini gewesen sein, dieser jähzornige Typ aus der Emilia Romagna mit seinem losen Lebenswandel. Die Affäre isoliert Mussolini. Seine gemäßigten Anhänger wenden sich ebenso ab wie die Extremisten, die nicht mehr wissen, wofür er steht. Nun muss er entweder zurücktreten oder die Macht mit Gewalt an sich reißen. In dieser Situation wendet er sich erneut an Margherita. Der Ton der beiden an jenem Tag ist ernst:
„Wie geht es dir?“
„Wie soll es mir schon gehen, liebe Vela?“
„Nichts Neues?“
„Nichts. Mittlerweile überrascht mich gar nichts mehr. Nicht einmal das Absurdeste und Bodenloseste. Am schlimmsten ist, dass ich von dem, was Gegner und Freunde mir unterstellen, ja gar nichts wusste. Man hat mich verraten!“
„Du wirst sehen, dass sich am Ende alles einrenkt. Aber ich rate dir, ruhig zu bleiben. Lass dich nicht von deinen Gefühlen mitreißen. Bewahr einfach Ruhe.“
„Da geht es nicht um Gefühle. Ich habe ja nichts gegen die Leute, gegen niemanden! Aber das Schicksal hat meinen Feinden in die Hände gespielt. Und wenn ich, was fast sicher ist, die Partie verlieren sollte, habe ich nichts mehr in der Hand.“
„Aber du hast doch schon mehrfach gezeigt, dass du mit solchen Situationen umgehen kannst. Wie viele Partien hast du schon im letzten Augenblick gewendet! Schließlich ist die
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