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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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wie wir die Zeit totschlagen sollten. Wir hatten nicht die geringste Lust, in unserer kalten, wenig komfortablen Kammer zu bleiben, und so gingen wir jeden Abend aus: manchmal ins Kino, manchmal ins Theater.“
    In Wahrheit aber langweilen sie sich miteinander. Lenins einziges Gesprächsthema ist die Revolution. Er liegt mit vielen militanten Russen im Streit, weil sie sich nicht zu seiner Mission bekehren wollen. Die Situation wird unerträglich, und so beschließt er, nach Frankreich zu gehen: „Wir hoffen, dass die große Stadt uns Auftrieb geben wird. Jedenfalls haben wir genug davon, in diesem Provinzloch zu verschimmeln“ [9] , schreibt er an seine Mutter zwei Wochen, bevor er die Schweiz verlässt.
    Am 3. Dezember 1908 kommen sie in Paris an. Wo sollen sie wohnen? Mittlerweile ist der Haushalt auf vier Personen angewachsen: Nadja und ihre Mutter, Lenin und seine Schwester Maria. Sie fanden eine Mietwohnung im zweiten Stock eines bürgerlichen Hauses in der Rue Baunier 24, in der Nähe der Porte d’Orléans. Vier Zimmer, Flur, Küche, Abstellkammer, Kleiderkammer, fließendes Wasser und Gasanschluss. Dazu ein Ausstattungsdetail, das die Krupskaja begeisterte: Spiegel über den Kaminen. Die Miete lag bei 840 Francs jährlich plus Nebenkosten. Und immer noch kümmert Mama Uljanow sich um ihr Söhnchen. Sie schickt riesige Fresspakete aus Russland, gefüllt mit Speck, Räucherfisch, Schinken und Senf. Nicht zu vergessen die Süßigkeiten, damit der arme Wolodja in dieser unbarmherzigen Stadt nicht hungers stirbt.
    Der „Einstand“ in Paris bietet für Nadja wenig Anlass zur Freude. Der ganze Verwaltungskram geht ihr auf die Nerven: „Alles zieht sich ewig hin. Damit man das Gas endlich anstellte, musste ich drei Mal in die Stadt laufen, zu verschiedenen Ämtern, damit ich endlich das nötige Papier bekam.“ Schlussfolgerung: „Frankreich ist ein grauenhaft bürokratisches Land.“ Sie organisiert mehr schlecht als recht mit wenigen Möbeln einen Hausstand: ein billiger Holztisch und ein paar Hocker.
    Im Frühsommer 1909, als der bitterkalte Schweizer Winter überwunden scheint, hat Nadja das Gefühl, die Intimität ihrer sibirischen Klause wiedergefunden zu haben. Das Paar verbringt ein paar Tage in einer kleinen Pension in Bombon im Département Seine-et-Marne. Sie unternehmen Radtouren, die sie weit weg von den Anforderungen der revolutionären Sache führen: „Wir reden nicht einmal über Parteiangelegenheiten“, schreibt Nadja. Einige Wochen lang genießen sie zu zweit in aller Geruhsamkeit das französische Landleben, abseits aller lauten Parolen irgendwelcher Politaktivisten.
    Lenin gefällt es in der Rue Baunier nur bedingt. Als seine Schwester abreist, wechselt man noch einmal den Wohnsitz. Allerdings bleibt die Familie im Viertel um die Porte d’Orléans. Lenin macht in der Rue Marie-Rose eine noch komfortablere Dreizimmerwohnung ausfindig – mit Elektrizität und Zentralheizung, was die Krupskaja begeistert. Die Anordnung der Räume folgt dem klassischen Schnitt: zwei Zimmer auf die Straße – Wohnzimmer und Esszimmer, durch eine große Glastüre getrennt –, Schlafzimmer und Küche auf den Hof. Das Wohnzimmer, ein recht großer, heller Raum mit zwei Fenstern, wird Lenins Arbeitszimmer. Im Esszimmer stellt man zwei eiserne Bettgestelle auf, auf denen die beiden schlafen. Die alte Schwiegermutter wird ins hintere Zimmer verpflanzt, die Küche aber ist Ess- und Wohnzimmer zugleich.
    Endlich ein wenig Komfort. Nadja ist glücklich. Sie bewohnen nun eine der modernsten Wohnungen, die man im Moment in Paris finden kann. Hier würde sie nun wirklich als Wladimirs Ehefrau schalten und walten können. Aber Lenin hat schon eine andere Passion entdeckt – außer Haus.
    Die etwas andere Troika
    Puschkino, Januar 1909. Nach einer harten Zeit der Verbannung, die sie in Mezen an den Ufern des Nördlichen Eismeeres verbracht hat, versucht Inessa Armand, dort wieder an ihr Leben anzuknüpfen, wo es durch Aufdeckung ihrer revolutionären Aktivitäten unterbrochen worden war. Sie reist zu ihrem Gatten Alexander, der in dieser Zeit treu auf sie gewartet hat. Einer aber fehlt beim Wiedersehen: Vlad, ihr Schwager und späterer Liebhaber. Die Tuberkulose, die er sich im Gefängnis geholt hatte, ließ ihm nicht viel Hoffnung. Sein Zustand hatte sich in den letzten Wochen seiner Kur in einer Klinik in Nizza unerwartet verschlechtert. Trotzdem hoffte man noch, ihn retten zu können. Seine letzte Chance war eine

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