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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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Prawda , „Wahrheit“, zu gründen. Doch die Herausgeber in Sankt Petersburg reagieren zurückhaltend. Dort gilt Lenin immer noch als ein Agitator unter vielen. Um sie zu überzeugen, schickt Lenin einen Unterhändler: Inessa, die immer noch von der zaristischen Geheimpolizei gesucht wird.
    Auch sie ist zu einer Meisterin der Verkleidung geworden. Sie setzt auf dieselbe Tarnung, die sie einst aus Russland herausgebracht hat. Als polnische Bäuerin namens Francisca mit dicken Stiefeln und einem Wolltuch überquert sie die Grenze. Die Polizei lässt sich nicht täuschen, doch man verhaftet sie nicht. Als enge Vertraute Lenins ist Inessa in Freiheit mehr wert als hinter Gittern. Man lässt ihr volle Bewegungsfreiheit, überwacht sie jedoch. Vielleicht führt sie die Polizisten ja zu Lenin. Die eloquente französischstämmige Russin kann die Herausgeber in Sankt Petersburg nicht überzeugen. Als Inessa nach Polen zurück will, schlägt die Geheimpolizei zu. Schließlich musste Inessa doch einige Informationen über Lenin besitzen. Am 14. September wird sie bei einem Treffen von Feministinnen verhaftet und zwei Wochen lang ununterbrochen verhört. Doch sie lässt sich nicht beirren und spielt weiterhin die Bäuerin Francisca. Was ihr sechs Monate Isolationshaft einträgt. Sie kämpft um die simpelsten Formen der Hygiene, um ihre Identität und ihre geistige Gesundheit. Alexander, der ihr immer noch treu ergeben ist, besucht sie regelmäßig. Einmal mehr gelingt es ihm, sie gegen Kaution freizubekommen. Am 20. März 1913 wird sie gegen die beträchtliche Summe von 5400 Rubel auf freien Fuß gesetzt. Es ist das Zehnfache dessen, was für einen rechtskräftig Verurteilten gewöhnlich gefordert wird. Inessas Prozess aber soll erst in ein paar Monaten stattfinden. Sie wartet den Termin nicht ab, sondern flieht wieder heimlich und macht sich auf den Weg zu ihrer neuen Familie: Lenin und Nadja in Krakau. Unterwegs schreibt sie:
    „Mein Lieber, ich bin bereits in Österreich und rechne damit, hier einige Zeit zu bleiben. Es gibt nicht viel zu schreiben. Ich hause in den Bergen … die Wolken klopfen jeden Tag an mein Fenster. Ich bedauere es sehr, euch gehorcht zu haben.“
    Wieder einmal hat der kluge Alexander ihre Flucht organisiert. Nadja sollte sich später an diese Zeit erinnern: „Wir sind viel spazieren gegangen und sind zum Czarny Staw gefahren, einen außerordentlich schönen See. Wir hingen sehr an Inessa, sie war immer noch bester Laune. Alles war lebendiger und wärmer, wenn Inessa da war.“ [18]
    Das Trio hat eine Form des Zusammenlebens gefunden. Nach dem Mittagessen, das um 12 Uhr eingenommen wird, arbeitet jeder in seiner Ecke des Gartens. Inessa spielt Beethovens Mondscheinsonate für Lenin, während Nadja ihr zusieht und bemerkt, sie sei „sehr geschickt in musikalischen Dingen“.
    In diesem intimen Rahmen lernt Nadja Inessa zu schätzen. Die beiden Frauen haben sich in Paris kennengelernt, doch waren sie dort stets unter vielen Menschen gewesen. In Krakau bildeten sie einen kleinen verschwörerischen Zirkel: „Sie erzählt uns viel aus ihrem Leben und von den Kindern. Sie zeigte mir ihre Briefe und spricht viel von ihnen. Dabei strahlt sie so viel Begeisterung und Wärme aus“, berichtet Nadja.
    Aus mit Krakau
    Weihnachten 1913 fällt ein Schatten auf das gemeinsame Glück: Nadjas Gesundheit, die aufgrund der Basedowschen Krankheit seit jeher angegriffen war, verschlechtert sich zusehends. Man muss ihr den Kropf entfernen. Der Eingriff wird in Bern durchgeführt – ohne Narkose. Die Rekonvaleszenz wird lang und schwierig sein. Lenin beschließt, seine Beziehung zu Inessa zu beenden. Er muss sich um Nadja kümmern, die schwächer ist, als er sie je erlebt hat. Inessa verlebt den Jahreswechsel in Paris und sehnt sich unsterblich nach ihm:
    „Mein Lieber,
    ich bin in der Stadt der Lichter, doch dieses Mal stößt sie mich ab. Alles hier geht mir an die Nieren. Die grauen Straßen, die zu stark zurechtgemachten Frauen … Als ich in die Rue d’Orléans kam, überfielen mich von allen Seiten die Erinnerungen. Ich wurde ganz erschreckend traurig. Ich erinnerte mich meiner Stimmungen, meiner Gefühle. Es ist zum Verzweifeln, dass sie jetzt nicht mehr wiederkommen sollen […] Du wirst nicht zurückkommen, ich weiß das. Du wolltest wissen, ob ich wütend darüber sei, dass Du Dich für die Trennung entschieden hast. Nein, denn ich glaube nicht, dass Du es um Deinetwillen getan hast.“
    Doch es ist

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