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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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Frage zu beschäftigen, wie man am besten liebt und geliebt wird? Im Augenblick sollten alle Gedanken der Genossinnen und Arbeiterinnen sich auf die proletarische Revolution richten. Denn nur sie wird ein neues Fundament für die sexuellen Beziehungen schaffen. Im Moment gibt es drängendere Probleme zu lösen als Fragen nach der Ehe bei den australischen Ureinwohnern oder der Ehe zwischen Familienmitgliedern in der Antike.“
    Die Schriften eines gewissen Sigmund Freud beschäftigen die Menschen zu Beginn des Jahrhunderts. Jene Wladimirs hingegen nicht: „Die Schrift, die im Augenblick am meisten gelesen wird, ist das Pamphlet einer jungen Genossin aus Wien über die sexuelle Frage. Was für ein Quatsch! Die Diskussion über Freuds Thesen verleiht ihnen einen Hauch von ‚Kultur‘, ja sogar Wissenschaftlichkeit, aber im Grunde ist dies nur ein lächerlicher Schüleraufsatz.“
    Die jungen Sozialisten, die sich für diese neuen sexuellen Theorien natürlich brennend interessieren, dürfen sich nicht mit Fragen des Unbewussten auseinandersetzen, ohne Lenins Ingrimm auf sich zu ziehen:
    „Die junge Bewegung ist gleichfalls vom ‚Modernismus‘ angekränkelt, vor allem, was die Haltung zur sexuellen Frage angeht. Diese Frage beschäftigt die jungen Leute viel zu sehr. […] Das ist ein besonders schädlicher und gefährlicher Irrtum. Denn er kann bei einigen Genossen zu übermäßiger sexueller Betätigung und somit zum Verlust von Gesundheit und Energie führen.“
    Wie ein russischer Volkslehrer des ausgehenden 19. Jahrhunderts fordert Lenin – von den anderen – Enthaltsamkeit und Kontrolle der Leidenschaften:
    „Obwohl ich selbst alles andere als ein Asket bin, kommt mir die angebliche ‚neue Sexualität‘ der Jugend – und mitunter auch des Alters – absolut bürgerlich vor, eine Ausweitung des bürgerlichen Saustalls eben. […] Sicher kennen Sie die berühmte Theorie, derzufolge die Befriedigung sexueller Bedürfnisse in der kommunistischen Gesellschaft so einfach und simpel sein sollte wie das Wassertrinken. Nun, diese Theorie vom Wassertrinken hat unsere Jugend komplett irrewerden lassen.“
    Die Reden bei politischen Frauentreffen sind seiner Ansicht nach absoluter Unsinn: „Können Sie mir versichern, dass bei Ihren feministischen Treffen die sexuelle Frage unter dem Gesichtspunkt des historischen Materialismus behandelt wird? Das erfordert weitreichende und vielfältige Kenntnisse sowie eine Menge Material. Reichen Ihre Kräfte dafür aus?“, schreibt er an Clara Zetkin, die große deutsche Feministin der ersten Stunde. Schließlich wird Lenin nicht müde, allen unter die Nase zu reiben, er habe noch nie eine Frau kennengelernt, die in der Lage gewesen sei, Das Kapital zu lesen, sich auf einem Fahrplan zurechtzufinden oder Schach zu spielen.
    Was die Frage der sexuellen Befreiung angeht, so steht er nicht aufseiten der Frauen. Allein bei der Vorstellung von Lust wird er schon nervös:
    „Ich habe keinerlei Vertrauen in die Beständigkeit und Ausdauer im Verfolgen der Ziele der Frau bei all jenen, deren persönliche Geschichte in irgendeiner Weise mit der Politik verknüpft ist. Nicht mehr als in die Männer, die jedem Rock hinterherlaufen und mit jeder Frau herummachen. Nein, nein, das geht nicht mit der Revolution zusammen.“ [22]
    Das Programm des ehemaligen Sibirien-Verbannten lehnt zwar jede Form der Askese ab: „Ein gesunder Körper, ein gesundes Gehirn: weder Mönch noch Don Juan, aber auch nicht der deutsche Spießbürger.“ Lenin, der Prüde, ist nicht verführbar. Zumindest will er uns das glauben machen. Denn in Bezug auf seine eigene Person gilt für ihn weniger „Weder Mönch noch Don Juan“, sondern eher das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“
    Zu dritt im Kreml
    Bern, März 1917. Familie Lenin ist beim Abwasch, als ein Genosse ihnen mitteilt, die Revolution in Russland habe begonnen. Wladimir eilt unverzüglich in die russische Buchhandlung. Er begreift sofort, dass sein Moment gekommen ist, sein Lebensziel in greifbare Nähe rückt. „Wir träumen alle davon, sofort abzureisen“ [23] , schreibt Inessa.
    Lenin muss unter allen Umständen nach Russland. Er erwägt, mit einem schwedischen Pass nach Deutschland einzureisen, wobei er sich als taubstumm ausgibt, um auf die Fragen der Grenzkontrolle nicht reagieren zu müssen. Der Plan schlägt fehl. Doch wenn Lenin nicht nach Deutschland kommt, kommt Deutschland eben zu ihm. Über den Genossen

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