Die Frauen des Journalisten (German Edition)
wenig enttäuscht verließ er das Heim, wieder ohne ein Ergebnis. Wie versprochen fuhr Lienhardt gleich anschließend zurück zu Galuba. Der war inzwischen frisch rasiert, hatte sich saubere Jeans und ein dunkles Hemd angezogen und war zum Ausgehen bereit. Auf seine Frage nach dem Ergebnis im Heim konnte Paul nur den Kopf schütteln.
„Kein Ergebnis. Aber kommen Sie, wir fahren erst mal ins Zentrum.“
Während der Fahrt gab er Galuba eine kurzen Bericht, dann hatten sie auch schon einen Parkplatz hinter dem Zoo gefunden. Die Luft roch nach Frühling und so gingen sie langsam am Rosental entlang Richtung Zentrum.
„Leipzig ist interessant, auch irgendwie schön.“, meinte Lienhardt nach einer Weile
„Ja, vielleicht, es wird schon werden. Die Stadt ist meine Wahlheimat, anderswo möchte ich nicht mehr leben.“
„Sie stammen nicht von hier?“
„Durch meine Arbeit bin ich damals hierher gekommen, aber inzwischen bin ich ein echter Leipziger.“, erwiderte Galuba.
„Für mich ist es der erste Besuch in Leipzig. Nein, so stimmt das nicht, richtig ist, es ist mein erster Besuch im Osten überhaupt. Schlimm, was?“
„Ich war auch nur einmal im Westen.“, gab Galuba lachend zurück.
Längst war die Mittagszeit vorbei, als sie im Auerbachs Keller eintrafen. An einem Tisch fanden sie zwei Plätze, wo sie sich auch unterhalten konnten.
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Sie Kriminalist waren. Und warum sind Sie es jetzt nicht mehr?“, begann Lienhardt während des Essens das Gespräch.
„1990, schon vergessen! Für fast jeden Westdeutschen ist es schwer sich vorzustellen, was hier im Osten gemacht wurde. Sie brauchen sich doch nur mal in die Situation hinein zu versetzen, wie das ist, wenn man Ihnen buchstäblich den Boden unter den Füßen wegreißt. Alles wird in Frage gestellt, wirklich alles, was bisher richtig war. Sie können nichts mehr planen, kein Ziel mehr verfolgen, Ihre vertraute Umgebung wird Ihnen fremd, Sie können niemanden um Rat fragen, weil es Ihren Nachbarn und Kollegen ebenso geht. Denken Sie mal darüber nach.
Viele intelligente Menschen hier sind an diesem Umbruch zerbrochen und es ist noch nicht zu Ende. Ich bin damals oft ziellos draußen herum gelaufen, weil ich es zu Hause nicht mehr aushielt. Raus, laufen, nur laufen. Bei mir kam dann noch der Alkohol dazu. Meine Frau hat es nicht mehr ausgehalten sich neu zu organisieren, eine neue Arbeitsstelle finden und ein Mann, der fast jeden Abend betrunken war. Sie hat die Scheidung eingereicht. Alle wichtigen Dienststellen bei der Polizei wurden mit Westdeutschen besetzt. Für mich gab es keinen Halt mehr, ich musste gehen. Danach Arbeitsamt, aber keiner will dich mehr. Ein Polizist, der entlassen wurde, mit dem muss doch was nicht stimmen. Das war´s. Inzwischen trinke ich nicht mehr, keinen Tropfen. Ich lese viel, gelegentlich schreibe ich etwas, nur für mich.“
Lienhardt hatte ohne ein Wort zu sagen zugehört. Was hätte er auch erwidern sollen, er konnte sich da nicht hineindenken, noch nicht.
„Na, mein Lieber, nun habe ich Ihnen die Stimmung versaut, hm?“, fragte Galuba mit einem Schmunzeln.
„Kopf hoch, niemand muss des anderen Last tragen. Wie soll es denn jetzt bei Ihnen weiter gehen?“
Paul war dankbar für den Richtungswechsel und griff ihn sofort auf.
„Vielleicht weiß die Pflegedienstleiterin doch mehr und will es nur nicht sagen. Man müsste irgendwie einen anderen Zugang zum Heim finden. Können Sie sich eine Möglichkeit vorstellen?“
„In der Regel sind die meisten Heime recht offen, gegenüber Besuchern meine ich. Soll ich mal einen Versuch starten?“, bot sich Galuba an.
„Warum nicht? Zeit haben Sie ja genug. Dann können wir auch gleich mal sehen, wer der Bessere von uns beiden ist.“ Paul war sichtlich erfreut über das Angebot.
„Prima, starten wir morgen Nachmittag den zweiten Versuch. Mir ist da übrigens noch ein Gedanke gekommen. Haben Sie schon mal daran gedacht, ob vielleicht die Frau von Ihrem Freund hinter der ganzen Sache stecken könnte?“
„Das glaube ich nicht, ich kenne Frau Wortmann zwar nicht persönlich, aber Michael hat hinreichend darüber berichtet, dass seine ehemalige Frau krank ist. Genaues über die Krankheit weiß ich aber nicht.“
„Na gut, schließen wir das aus.“, meinte abschließend Galuba.
***
Die Zellentür wurde geöffnet.
„Guten Morgen Herr Wortmann, ihr Frühstück!“
Wortmann, der am Fenster stand, die Hände in den
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