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Die Frauen des Journalisten (German Edition)

Die Frauen des Journalisten (German Edition)

Titel: Die Frauen des Journalisten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerlind Schmidt
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sich seinem Tisch eine Dame näherte. Erst als sie ihn ansprach, sah er auf.
    „Darf ich mich vielleicht zu Ihnen setzen“, fragte sie, „ich sitze nicht gern allein.“, fügte sie noch hinzu.
    „Ja, bitte, Sie dürfen.“, antwortete er freudig überrascht.
    Er sah sofort, dass die Dame nicht zu dieser Seite Berlins gehörte. Sie war nicht sehr schlank und er schätze sie kaum jünger ein als sich. Ihr dunkles, volles Haar hatte einen leicht rötlichen Schimmer. Sie war nur wenig geschminkt und trug ein elegantes Kostüm in einem nicht zu beschreibenden Grünton, der wunderbar zu ihren Haaren passte, dazu eine cremefarbenen Bluse. In ihrer Aussprache bemerkte er einen leichten Akzent.  Man musste aber schon sehr genau hinhören um ihn zu bemerken. Deshalb fragte er sie.
    „Sind Sie wirklich allein hier?“
    „Ja, ich will später zu einer Veranstaltung in den Palast.“
    „Vielleicht ist es ja die gleiche, zu der ich gehe.“, vermutete er dann.
    Tatsächlich, sie wollten beide das gleiche Konzert besuchen. Inzwischen war  er sich nun sicher, dass sie aus dem Ausland kam und so sprach er sie darauf an.
    „Woher kommen Sie?“
    „Was meinen Sie?“
    „Na in Ihrer Aussprache ist so ein leichter Akzent, sind Sie vielleicht Engländerin?“
    „Da bemühe ich mich also ganz umsonst korrektes Deutsch zu sprechen.“ In ihren Augen sah er ein Lachen.
    „Aber Sie haben fast Recht, ich bin Amerikanerin.“
    „Und das soll niemand merken?“, fragte er erstaunt.
    „Aber nein, meine Eltern waren Deutsche und sie haben sich sehr bemüht, mir ein akzentfreies Deutsch beizubringen, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.“
    „Sind Sie nur wegen des Konzerts hier?“, fragte er weiter.
    „Sie sind ziemlich neugierig!“ Nun musste sie doch richtig lachen.
    „Warum nicht, wenn Sie sich schon an meinen Tisch gesetzt haben.“, erwiderte er leicht ironisch.
    „Sie wissen sicher, dass Reagan zu einem Besuch hier ist. Daher habe ich diesen Anlass genutzt, mir ebenfalls Berlin anzusehen. Zum Teil besuche ich Veranstaltungen, aber ich möchte auch berufliche Kontakte knüpfen. Ich bin Verlegerin.“
    „Oh, sehr interessant, ich bin Journalist. Wir gehören also beide der schreibenden Zunft, der Wortverdreher an.“, antwortete er erfreut.
    „Sicher wohnen Sie drüben, richtig?“
    „Ja, auch das wollte ich erleben, diese Grenzüberschreitung. Für mich ist das aber eher lästig, unvernünftig. Deshalb finde ich es richtig, wenn er Gorbatschow auffordert, die Mauer nieder zu reißen. Vierzig Jahre  sind seit der Aufteilung Deutschlands vergangen, die Siegermächte sollten diesen Zustand beenden.“
    Darauf konnte er nicht antworten und nur ein leises Lächeln in seinen Mundwinkeln ließ sie vermuten, was er dachte.
    „Nun gut,“, schloss sie damit das Thema ab, „freuen wir uns lieber auf das Konzert. Wir könnten doch zusammen dorthin gehen und Sie zeigen mir unterwegs noch etwas von der Stadt. Mein Name ist übrigens Dominique Enright.“
    Sie reichte ihm ihre Hand. Er ergriff sie.
    „Michael Wortmann, ich begleite Sie gern.“
     
    Fast drei Stunden später dann, nach dem Konzert, gingen sie gemeinsam zum Bahnhof Friedrichstraße. Auf dem Weg dorthin erfuhr er, dass sie einen Verlag in New York besaß, den sie vor zwei Jahren von ihren Elten geerbt hatte und, dass sie geschieden war, so wie er.
    Bis zu ihrer Rückreise in die USA blieben ihr noch drei Tage für Berlin. Nun war es Wortmann, der sich anbot, gern würde er ihr noch mehr von Ostberlin zeigen. Am Bahnhof standen sie  sich gegenüber, die Gesichter einander zugewandt, sie sahen sich in die Augen, so als hätten sie sich nicht erst an diesem Nachmittag zum ersten Mal gesehen. Es waren nur Sekunden vergangen, aber beide tauchten aus einer Unendlichkeit auf, als sie antwortete:
    „Es wäre schön, wenn Sie mir noch mehr von Ihrer Stadt zeigen würden.“
    An den folgenden drei Tagen trafen sie sich jeden Nachmittag, wenn er Dienstschluss hatte am Fernsehturm, und Wortmann besuchte mit ihr alle für Touristen sehenswerte Orte von Ostberlin. Sie verstanden sich gut, es war zwischen ihnen ein Einverständnis, dass oft nur wenige Worte brauchte. Sie spürten keine Fremdheit zwischen sich.
    Wortmann wusste auf einmal sehr genau, so und nicht anders sollte es zwischen Mann und Frau sein. Er fühlte sich einfach wohl in ihrer Nähe. Manchmal war er nahe daran, über dieses Gefühl zu sprechen, dann verbot er es sich aber. Was sollte es auch bringen, sie

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