Die Frauen des Journalisten (German Edition)
würde in Kürze weit weg sein. Briefe hin und zurück würde man abfangen, telefonieren kam erst recht nicht in Frage.
Am dritten Tag verabschiedeten sie sich als gute Freunde, die sie jetzt waren, ohne davon zu sprechen, dass man sich doch wiedersehen könne. Ecke Friedrichstraße, Unter den Linden, ging jeder in eine andere Richtung, keiner von beiden drehte sich noch einmal um.
„Es war schön Sie getroffen zu haben.“, hatte er gesagt.
„Danke.“, hatte sie erwidert.
***
Anfang Juli 1987 war in der Sonnabendausgabe der Schweriner Tageszeitung ein Bericht über einen schweren Verkehrsunfall zu lesen. Ein hellblauer Skoda war auf einer Landstraße vor Schwerin frontal gegen einen Baum gefahren, nachdem er einem anderen PKW ausgewichen war, der bei einem Überholmanöver zu weit auf die Gegenfahrbahn gekommen war. Der Fahrer des Skodas und die Beifahrerin starben noch am Unfallort. Ein etwa sechzehnjähriges Mädchen, dass auf einem der Rücksitze gesessen hatte, wurde mit nur leichten Verletzungen und einem Schock in das Schweriner Krankenhaus eingeliefert. Wie die Polizei anhand des mitgeführten Gepäcks feststellen konnte, waren die drei Personen unterwegs zu einem Urlaubsort an der Ostsee gewesen. Das Mädchen, dass überlebt hatte, hieß Claudia Metzler, war 17 Jahre alt und hatte an diesem Tag ihre Eltern verloren.
Die Verletzungen, die Claudia bei dem Unfall erlitten hatte, waren nicht besonders schwerwiegend, damit hätte sie bald wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden können, aber der Schock. Das junge Mädchen hatte zusehen müssen, wie ihre Eltern starben, sie hatte nicht helfen können. Sie war aus dem Auto geschleudert worden, fand sich im Straßengraben wieder. Als sie begriffen hatte, was geschehen war, hielt auch schon ein anderer PKW neben ihr. Ein Mann hob sie auf und trug sie von dem Skoda weg. Sie schrie, hatte aber nicht die Kraft sich zu bewegen. Später im Krankenhaus war sie bei vollem Bewusstsein. Mit Medikamenten versuchten die Ärzte sie im Gleichgewicht zu halten, sie ruhig zu stellen.
Die einzige Verwandte, die dem Mädchen beistehen konnte war ihre Großmutter, die selbst mit der Situation kaum zurecht kam. In wenigen Monaten würde Claudia 18 werden, wie sollte das Leben weiter gehen? Für die nächste Zeit, solange die beiden Menschen psychologische Betreuung brauchten, würde die Großmutter in der Klinik bei Claudia bleiben. Was sollte danach geschehen?
Die Großmutter vermied es darüber mit ihrer Enkelin zu sprechen. Wie sollte denn so ein junges Mädchen eine Vorstellung haben von einem Leben ohne ihre Eltern. Vor dem Unfall hatte Claudia die 11. Klasse beendet und bis zum Abitur war es also nur noch ein Jahr.
Bereits kurze Zeit nach dem Unfall, während die psychologischen Behandlung noch andauerten, erklärte sie ihrer Großmutter, dass sie auf keinen Fall weiter zur Schule gehen wolle. An nichts, dass mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte, wollte sie erinnert werden. Für sich begann sie das Tor zu ihrem früheren Leben zu schließen, es sollte nie wieder geöffnet werden.
Sobald Claudia aus der Klinik entlassen werden konnte, wohnte sie nun bei ihrer Großmutter in einem kleinen Dorf nahe Leipzig. Die Schweriner Psychologin hatte Claudia bei einer ambulanten Beratungsstelle in Leipzig angemeldet, die Claudia regelmäßig aufsuchen sollte. Sie fuhr also mit dem Bus täglich nach Leipzig, wo sie weiter betreut wurde.
Anfang September begann das neue Schuljahr ohne Claudia. Ihre Mitschülerinnen hatten anfangs immer wieder versucht mit ihr zu sprechen. Sie waren bei der Großmutter gewesen und hatten zuletzt sogar versucht sie in der Tagesklinik zu treffen. Aber alles blieb ohne Erfolg. Das Mädchen ließ sich verleugnen, beachtete die ehemaligen Freundinnen überhaupt nicht. Sie tat, als existierten die Mädchen nicht.
Nur wenige Wochen später, erinnerte kaum noch etwas an das Mädchen, das vor kurzem die 11. Klasse abgeschlossen hatte. Wenn man Claudia jetzt sah, konnte man ihre Veränderung kaum glauben. Ihr Äußeres hatte sich völlig verändert. Sie hatte ihr Haar wachsen lassen und es war auffallend blondiert. Während sie noch zur Schule gegangen war, hatte sie sich nie geschminkt, nun aber benutzte sie Wimperntusche und Lidstifte. Die schwarz umrahmten Augen und die auffallend hellen Haare standen in einem deutlichen Kontrast zueinander und ließen sie nun älter erscheinen.
Ob sie die Veränderungen in ihrem Leben bewusst oder
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