Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
finden könne.
«Der ist bestimmt auf dem Marktplatz», antwortete die Frau mit einem kaum hörbaren Akzent und zuckte mit den Schultern, als wollte sie Vanja zeigen, dass es nur eine Vermutung war.
«Arbeitet er da?», fragte Vanja und hatte einen lebendigen Marktbetrieb wie auf dem Hötorget im Zentrum Stockholms vor Augen. Die Frau in der Tür lächelte, als hätte Vanja etwas sehr Komisches gesagt. «Nein, der arbeitet nicht.»
Mit ihren vier Worten hatte die Nachbarin deutlich gemacht, was sie von ihrem Nachbarn hielt. Vielleicht nicht die Worte an sich, aber ihr Tonfall und ihre Miene ließen Vanja verstehen, dass die beiden nicht gerade innig befreundet waren. Vanja dankte für die Information und begab sich zu Fuß in Richtung Zentrum.
Ein Friseursalon, ein Restaurant, ein Supermarkt, ein Imbiss. Eine Pizzeria, ein Kiosk und ein Jeansgeschäft, rund um eine kahle Betonfläche. Im Herbst und im Winter musste der Wind über diese Ödnis nur so hinwegfegen, vermutete Vanja, aber jetzt brannte die Sonne darauf und machte ihn zu einem Paradebeispiel für das, was man sich unter einer Steinwüste vorstellte. Im Schatten eines Ärztehauses lungerten einige Leute auf Bänken herum. Ein hechelnder, magerer Schäferhund und zwei Bierdosen, die zwischen den Männern und der einzigen Frau auf der Bank kreisten, verrieten Vanja, dass sie hier vermutlich mit ihrer Suche nach Rodriguez anfangen sollte. Sie steuerte auf die Bank zu. Als sie nur noch zehn Meter von der Gruppe entfernt war, richteten alle fünf Anwesenden ihre volle Aufmerksamkeit auf sie. Der Einzige, den ihr Auftauschen völlig kaltließ, war der Hund. Vanja zückte das Foto von José Rodriguez, während sie ebenfalls in den Schatten des vorspringenden Hauses tat.
«Wisst ihr, wo ich diesen Typen finden kann?» Sie hielt ihnen das Bild hin. Es hatte keinen Zweck, ihre Botschaft auszuschmücken oder ihnen etwas anderes vorzugaukeln. Vermutlich hatten diese Leute sie schon als Polizistin identifiziert, als sie den Platz betrat.
«Warum?», fragte ein grauhaariger Mann unbestimmbaren Alters, der die Hundeleine hielt und nun zu ihr aufsah, nachdem er einen schnellen Blick auf das Foto geworfen hatte. Da ihm beide Vorderzähne fehlten, lispelte er leicht.
«Weil ich mit ihm reden muss», fuhr Vanja in ihrem direkten Tonfall fort.
«Will er denn mit dir reden?» Die Frage kam erneut von dem Grauhaarigen. Mit seinem Lispeln klang er beinahe niedlich.
Vanja dachte, dass es schwer sein musste, sich Respekt zu verschaffen, wenn man wie ein Sechsjähriger mit Bassstimme klang. Vielleicht hatte er deshalb den Schäferhund. Als Kompensation. «Das wird er wohl selbst entscheiden können», konterte Vanja.
Das war offensichtlich nicht die Antwort, die sie hatten hören wollen. Wie auf ein unsichtbares Kommando beschäftigten sich alle wieder mit dem, was sie vor Vanjas Ankunft getan hatten. Plauderten miteinander. Steckten sich Zigaretten an. Tätschelten beiläufig den Kopf des Hundes. Nahmen einen Schluck aus der Bierdose und gaben sie weiter. Keiner schenkte Vanja auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Nicht einmal einen Blick. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Vanja seufzte. Natürlich hätte sie weitergehen, andere Leute auf dem Platz fragen und damit am Ende vielleicht sogar Erfolg haben können, aber es war warm, und sie war müde und wollte nach Hause. Sie wühlte in der Vordertasche ihrer Jeans und zog einen Hundertkronenschein heraus. «Ich will einfach nur wissen, wo er ist. Er wird nie erfahren, wie ich es herausgefunden habe.»
«Meistens hängt er bei den Kleingärten ab», nuschelte ein dürrer, langhaariger Mann in Jeansjacke sofort und streckte seine schmutzige, zitternde Hand nach dem Schein aus, bevor sie überhaupt signalisiert hatte, ob die Information ihren Preis wert war oder nicht. Vanja hielt das Geld außer Reichweite.
«Und wo ist das?»
«Da unten.» Der Langhaarige zeigte in die Richtung, aus der Vanja gerade gekommen war. «Unten am See, wie heißt der Weg noch mal … Tomatstigen …»
Ein Straßenname. Das musste reichen. Vanja gab ihm den Hunderter und der Magere steckte ihn hastig in seine Jackentasche, allem Anschein nach unbeeindruckt von den missbilligenden Blicken der anderen.
Als Vanja den Tomatstigen kurz darauf in das Navi eingab, sah sie, dass er tatsächlich in der Nähe lag. Aber wenn sie mit dem Auto dorthinfahren wollte, müsste sie einen ziemlichen Umweg in Kauf nehmen.
Also fuhr sie
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