Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Handlungsfreiheit. Ich weiß, dass dir das scheißegal ist. Aber ich sage es dir zum letzten Mal. Reiß dich zusammen.»
Sebastian überlegte, was er getan und gesagt und wie er agiert hatte, seit er bei diesen Ermittlungen dabei war. Er kam schnell zu dem Ergebnis, dass er eigentlich wie immer gewesen war. Er sagte, was er dachte, und fasste die Leute nicht aus ewiger Dankbarkeit mit Samthandschuhen an. Aber er wollte auf keinen Fall rausfliegen. Er musste in Vanjas Nähe sein, doch das war nicht der einzige Grund. Es war plötzlich nicht einmal mehr der wichtigste. Hätte ihn jemand vor einigen Tagen gefragt, was sein Interesse an – oder seine Fixierung auf – Vanja würde dämpfen können, hätte er geantwortet: nichts. Aber er hatte sich geirrt. Was nun passiert war, beschäftigte ihn so viel mehr, überschattete alles andere, sogar Vanja. Vier Frauen waren seinetwegen gestorben.
«Ich werde mich bemühen», versprach Sebastian und sah Torkel mit aufrichtigem Blick an. «Ich will jetzt nicht gehen.»
Torkel erhob sich vom Schreibtisch und machte die Tür zu, die einen Spaltbreit offen gestanden hatte. Sebastian beobachtete seinen Kollegen ein wenig argwöhnisch, als der sich in den Sessel gegenüber setzte. Was sollte das werden?
«Was ist eigentlich mit Billy los? Er scheint ein bisschen die Karriereleiter hochklettern zu wollen», sagte Sebastian rasch und hoffte, die Therapiesitzung mit einem Themenwechsel im Keim zu ersticken.
«Du lenkst ab.»
«Ja, ich wollte sehen, ob du den Wink mit dem Zaunpfahl verstehst.»
«Ich spreche gern mit dir über Billy. Ein anderes Mal.» Torkel beugte sich im Sessel vor und faltete seine Hände, als wolle er gleich beten. Ein schlechtes Zeichen, das wusste Sebastian. Eine klassische Zuhörerpose.
«Was ist passiert, Sebastian? Du warst früher schon egoistisch, großspurig und unsympathisch, aber seit wir uns wiedergetroffen haben … scheint es mir so, als stündest du mit allen und jedem auf Kriegsfuß.»
Torkel ließ die Frage im Raum stehen. Ja, was war passiert? Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Sebastian, ob er ihm die Wahrheit erzählen sollte. Über Lily. Über Sabine. Über ein Glück, dass er so weder zuvor noch danach erlebt hatte. Über die Welle, die ihm alles genommen hatte. Was konnte das schon schaden? Vielleicht würde es ihm sogar etwas mehr Freiraum in der Gruppe verschaffen. Torkel hätte Mitleid mit ihm, ganz bestimmt. Und nicht nur das. Er würde sein Mitgefühl auf eine Weise zeigen, wie Sebastian es nie erlebt hatte, seit das Unglück geschehen war. Er hatte zwar auch niemandem eine Chance dazu gegeben, aber trotzdem.
Ein Torkel, der alles, was Sebastian tat, als Reaktion eines Trauernden deutete, konnte ihm nützlich sein. Der mehr Nachsehen mit ihm hatte. Besonders, wenn Sebastian ihn dazu überreden konnte, es nicht den anderen zu erzählen. Wenn es ein Geheimnis war, das nur sie beide teilten. Etwas, das sie miteinander verband.
Es war sein Joker.
Seine Freikarte.
Aber er hatte nicht vor, sie auszuspielen, bevor es nicht absolut notwendig war. Aber irgendeine Antwort musste er Torkel geben. Einfach aufzustehen und ihm zu sagen, er solle es mal gut machen, war diesmal keine Alternative. Aber Sebastian wusste genau, was er sagen würde. Er würde ehrlich sein.
«Ich fühle mich verantwortlich.»
«Für die Morde.» Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Sebastian nickte.
«In gewisser Weise kann ich dich verstehen», sagte Torkel. «Aber du trägst keine Schuld an ihrem Tod.»
Sebastian wusste es. Seine Vernunft wusste es. Seine Gefühlslage sah dagegen anders aus. Trotzdem tat es ihm erstaunlich gut, darüber zu reden. Vielleicht hätte er das lieber mit Stefan besprechen sollen, aber er war sich nicht sicher, ob der nach allem, was passiert war, immer noch sein Therapeut war. Sebastian hatte ihn angerufen und ihm sogar auf seinen Anrufbeantworter gesprochen und um Entschuldigung gebeten. Stefan hatte nicht zurückgerufen. Und das war zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht wusste, dass Annette ermordet worden war. Wenn herauskam, dass ihre Ermordung etwas mit ihrer Nacht mit Sebastian zu tun hatte, würde Stefans und seine Beziehung wohl irreparabel zerstört sein. Vermutlich war es Zeit, sich nach einem neuen Gesprächspartner umzusehen. Für den Moment musste Torkel herhalten.
«Die letzte, Annette, du weißt schon. Ich war nur mit ihr im Bett, um meinem Therapeuten eins auszuwischen.»
«Aha, und was war
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