Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
dein Motiv dafür, mit all den anderen ins Bett zu gehen?»
Sebastian wurde von der Frage und Torkels entspannter Einstellung überrascht. Er hatte mit einer Verurteilung gerechnet. Einer milden vielleicht, aber dennoch einer Verurteilung. Torkels moralischer Kompass war extrem genau kalibriert.
«Was meinst du?»
«Korrigier mich, wenn ich mich täusche, aber du bist doch gar nicht auf der Suche nach der Richtigen. All deine Frauengeschichten sind doch wohl eher eine Art … Zerstreuung.» Torkel lehnte sich in seinem Sessel zurück. «Du bist ein Süchtiger. Die Frauen sind dir im Grunde egal. Sowohl vorher als auch nachher.»
Sebastian versuchte nicht einmal zu widersprechen. Das war keine neue Erkenntnis für ihn. Schließlich hattne er selbst, Stefan und auch alle Frauen, die mit etwas Festem gerechnet hatten – alle hatten diese Diagnose schon vor Jahren gestellt. Neu und erstaunlich war einzig und allein, wie gut er darüber mit Torkel reden konnte.
Die Ermordung der drei ersten, die er von früher kannte, nagte an ihm, aber es gab eine Grenze, wie weit man das Band zurückspulen konnte, wie weit zurück in die Vergangenheit man seine Taten bereuen konnte. Aber Annette. Mit ihr war es noch schlimmer. Sie ging ihm unter die Haut.
«Sie hatte ein so schlechtes Selbstvertrauen. Annette. Sie war verzweifelt auf jemanden aus, der sie bestätigte. Es war so einfach …»
«Du hast ein schlechtes Gewissen.» Wieder keine Frage, sondern eine Feststellung.
Sebastian war zum Nachdenken gezwungen. Er hatte schon lange kein schlechtes Gewissen mehr gehabt und war unsicher, wie sich das anfühlte.
«Vermutlich ja.»
«Hättest du es auch gehabt, wenn sie nicht ermordet worden wäre?»
«Nein.»
«Dann zählt es nicht.»
Hart, aber wahr. Dass er sie gnadenlos ausgenutzt hatte, ließ ihn kalt. Aber dass sie nur hatte sterben müssen, weil er einen schlechten Tag gehabt hatte, das konnte er nur schwer ignorieren.
«Hast du mit irgendeiner der Frauen, mit denen du etwas hattest, noch Kontakt?» Torkel lenkte das Gespräch in eine neue Richtung. Vorwärts.
«Zwischen der ersten und der letzten liegen fast vierzig Jahre. Ich erinnere mich nicht mal mehr an einen Bruchteil von ihnen.»
Torkel ertappte sich bei der Überlegung, wie viele Partnerinnen er selbst gehabt hatte. Zwei Ehefrauen, vier oder fünf vor seiner ersten Frau. Wohl eher vier. Einige zwischen den beiden Ehen. Und dann Ursula. Höchstens zwölf. Er musste sich nicht einmal besonders anstrengen, um sich an die Namen aller zu erinnern. Aber was Sebastian betraf, war man wohl gezwungen, diese Zahl mit dreißig, vielleicht auch vierzig zu multiplizieren. Vielleicht mehr. Und das Gedächtnis lässt nach.
«Ich will ja nur sagen», fuhr Torkel fort, «dass es vielleicht dir wie uns helfen würde, wenn du alles daran setzt, eine Wiederholung zu verhindern.» Er stand auf, als wollte er signalisieren, dass das Gespräch nun beendet war. «Aber wenn du dich nicht erinnerst, kann man wohl nichts machen.»
Sebastian blieb auf dem Sofa sitzen und starrte mit leerem Blick vor sich hin.
Überlegte.
An einige erinnerte er sich …
V anja war stehen geblieben und blickte sich im Stadtzentrum um. Es sah aus wie all diese Fußgängerzonen, aber sie stand nun in Hovsjö, in Södertälje, einem der achtunddreißig Stadtteile, denen die Regierung im Jahr 2009 «besondere Aufmerksamkeit» schenken wollte, um ihn und seine Bürger vor der «Marginalisierung» zu schützen. Eine «Initiative zur Rettung gefährdeter Stadtgebiete». Alles schönfärberische Bezeichnungen für Trabantenstädte, in denen es mehr Probleme gab als Lösungen. Vanja hatte keine Ahnung, ob diese besondere Aufmerksamkeit etwas bewegt hatte. Es sah jedenfalls nicht so aus.
Vor einer halben Stunde hatte ihr Navigationsgerät sie in den Granövägen gelotst. Einige Meter weiter konnte man links in den Kvarstavägen einbiegen, und genau hier war ein halbes Jahr zuvor der hellblaue Ford Focus gestohlen worden. José Rodriguez wurde immer interessanter.
Vanja hatte ihren Wagen geparkt, war ausgestiegen und hatte an den braunen, achtgeschossigen Wohnblockfassaden hochgeblickt. Sie fand den richtigen Eingang und die richtige Wohnungstür. Als niemand öffnete, klingelte sie beim Nachbarn gegenüber. Haddad, stand auf dem Türschild. Eine Frau Mitte vierzig öffnete. Vanja zeigte ihren Dienstausweis und fragte, ob die Nachbarin José Rodriguez möglicherweise gesehen habe oder wisse, wo sie ihn
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