Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
am Leben. Nicht, dass er nicht kochen konnte, er hatte einfach nur kein Interesse daran und fand, dass man die Zeit, die man dafür brauchte, auch besser nutzen konnte. Dieses Thema wollte er allerdings nicht vertiefen, wenn My zuhörte. Er erinnerte sich dunkel, dass er Kochen an jenem Morgen nach dem Mittsommerfest als Hobby genannt hatte.
«Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, weshalb du anrufst?» Billy schob das Gemüse mit dem Messer beiseite. Ehe er begann, die rote Chilischote fein zu hacken, schielte er kurz zu My hinüber, die dem Gespräch interessiert lauschte.
«Ich wollte dich fragen, ob du herausfinden kannst, wann dieser Unfall genau war.»
«Wusste er das denn nicht selbst?»
«Er hat nur gesagt, dass er vor einiger Zeit von einem Auto angefahren wurde.. Ich war so stinksauer, dass uns die Polizei vor Ort nicht über seine Lähmung informiert hat. Ich bin einfach gegangen. Aber jetzt denke ich, er könnte doch trotzdem etwas mit dem Diebstahl des Fords zu tun haben. Immerhin wohnt er direkt nebenan.»
Billy hielt mitten in seiner Bewegung inne. Sie rief ihn an, um ihn um eine einfache Recherche zu bitten. Etwas, das jeder, wirklich jeder, erledigen konnte. Im Augenwinkel sah er, wie My den Kopf schüttelte. Billy legte das Messer beiseite, nahm das Handy und hielt es ans Ohr.
«Warte mal, habe ich das jetzt richtig verstanden? Du hast vergessen, ihn zu fragen, wann der Unfall genau war, und jetzt soll ich es herausfinden?»
«Genau.»
«Ich bin aber schon zu Hause.»
«Ich meinte ja auch nicht jetzt, du kannst dich genauso gut morgen darum kümmern.»
«Und warum kannst du dich morgen nicht selbst darum kümmern?»
Es wurde erneut still. Billy wusste warum. Vanja war es nicht gewohnt, dass man ihr widersprach oder sie in Frage stellte. Jedenfalls nicht von ihm. Na ja, irgendwann musste immer das erste Mal sein, sie konnte sich genauso gut gleich daran gewöhnen.
«Weil du solche Sachen besser kannst. Es geht viel schneller, wenn du das machst», sagte Vanja, und Billy glaubte eine leichte Irritation in ihrer Stimme zu vernehmen.
Zweifellos stimmte das, aber es reichte als Argument nicht aus. Er hatte nun schon viel zu lange die Rolle des administrativen Mädchens für alles in der Gruppe gespielt. Damit musste jetzt Schluss sein.
«Ich kann dir zeigen, wie man es macht.»
«Ich weiß, wie man es macht.»
«Dann tu es auch.»
Vanja schwieg von neuem. Billy warf My einen schnellen Blick zu. Sie lächelte ihn ermutigend an.
«Okay … gut», sagte Vanja nur knapp. Dann wurde es erneut still, und eine Sekunde später war auch das Verkehrsrauschen verschwunden. Vanja hatte aufgelegt.
Billy nahm das Handy und steckte es wieder ein. My kam zu ihm herüber und drückte seinen Arm. «Na, wie hat sich das angefühlt?»
«Gut.» Billy machte eine kurze Pause und entschied sich dann, ehrlich zu sein. «Und ein bisschen kleinlich. Ich hätte diese Recherche in null Komma nichts erledigt.»
«Aber sie weiß tatsächlich, wie es geht?»
«Ja. Nur jetzt ist sie wegen einer solchen Kleinigkeit sauer auf mich.»
My drängte sich zwischen Billy und die Küchenzeile und legte die Arme um seinen Hals. Sie sah ihm tief in die Augen.
«Wenn sie dich das nächste Mal um etwas bittet, kannst du ihr den Gefallen ja tun. Es geht nicht darum, einander nicht zu helfen, sondern darum, die Hilfe nicht als selbstverständlich anzusehen.»
Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und strich mit dem Finger darüber, ehe sie wieder zum Herd ging.
U rsula saß am Schreibtisch. Sie versuchte zu arbeiten, aber es war unmöglich, sich zu konzentrieren. Ihre Gedanken führten sie immer wieder in die Vergangenheit. Nicht zu dem Gespräch im Pausenraum, sondern viel weiter zurück.
In die damalige Zeit.
Zu ihnen.
Sie waren sich zum ersten Mal im Frühherbst 1992 begegnet. Sebastian Bergman, der in den USA ausgebildete Profiler, hielt an der Universität Göteborg einen Vortrag über das Signaturverhalten von Serienmördern und über die Details, die der Tatort bei einem solchen Täter verraten kann. Ursula arbeitete damals noch im Staatlichen Kriminaltechnischen Labor in Linköping und hatte darum gebeten, die Vorlesungen für ihre berufliche Weiterbildung besuchen zu dürfen.
Tatsächlich war die Veranstaltung interessant und aufschlussreich gewesen. Und Sebastian ganz in seinem Element, charmant, kenntnisreich, spontan. Das Publikum hatte aufmerksam und gespannt zugehört. Ursula hatte weit vorn
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