Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Ruhe herausfinden, was eigentlich gerade mit ihr passierte. Ob es an der Zeit war für eine dauerhafte Veränderung.
Sie hatte Glück. Micke kam schließlich selbst auf die Idee, dass Ursula allein umziehen sollte und sie eine Zeitlang getrennt leben könnten. Er wollte ihrer Karriere nicht im Wege stehen, und wenn andere eine Wochenendbeziehung führten, würden sie das wohl auch hinbekommen?
Ursula protestierte anstandshalber, aber nicht besonders lange. Sie redete mit Bella und versprach ihr, so oft wie möglich zu Besuch zu kommen. Natürlich war ihre Tochter traurig. Es war eine große Umstellung, fast wie eine Scheidung. Aber Ursula war sich sicher, dass das Mädchen heftiger reagiert hätte, wenn Micke weggezogen wäre. Aus Bellas Perspektive blieb das richtige Elternteil bei ihr.
Ursula bekam die Stelle und zog um. Sie mietete sich eine Zweizimmerwohnung in Södermalm, verbrachte allerdings mindestens genauso viel, wenn nicht mehr Zeit bei Sebastian. Bei der Reichsmordkommission verhielten sie sich äußerst professionell, niemand konnte ahnen, dass ihre Beziehung über ein normales Arbeitsverhältnis hinausging. Außerhalb des Berufs schien sich ihre Bindung immer mehr zu festigen. Sie unternahmen Dinge, die zwei Arbeitskollegen sehr wohl zusammen machen konnten, gingen ins Theater, ins Kino, ins Restaurant – aber sie trafen sich auch mit Ursulas Schwester und deren Mann. Pärchenabende. Ursula fuhr immer noch fast jedes Wochenende nach Linköping, hatte dabei zunehmend das Gefühl, sich von etwas zu entfernen, anstatt zu etwas zurückzukehren. Es war kein Nach-Hause-Kommen. Sie war sich sicher, dass ihr die Beziehung mit Sebastian viel mehr bedeutete als ihm. Manchmal erschreckte es sie, wie viel. Im Frühjahr wagte sie es schließlich, die Tatsache vor sich selbst zu formulieren.
Sie liebte jemanden.
Zum ersten Mal in ihrem Leben.
Ursula stand von ihrem Platz am Schreibtisch auf. Sie brachte ohnehin nichts zustande, und hier herumzusitzen und über etwas zu grübeln, das zwanzig Jahre zurücklag, führte zu nichts. Sie würde jetzt fahren. Vielleicht nach Hause, in jedem Fall aber weg von hier. Roland Johansson und José Rodriguez kamen beide nicht mehr als Täter in Frage. Die Fingerabdrücke und das Sperma am Tatort stammten von jemand anderem. Das bedeutete nicht automatisch, dass die beiden Männer nicht in irgendeiner Weise in den Fall verwickelt waren, das Auto beispielsweise, das Sebastian verfolgt hatte, war ja nur etwa hundert Meter von Rodriguez’ Wohnsitz entfernt gestohlen worden. Aber die Entscheidung darüber, ob sie die Sache weiterverfolgen wollten und wenn ja, wie, musste auf morgen vertagt werden. Ursula ging auf dem Weg zum Aufzug an Torkels Büro vorbei und sah hinein. Leer. Sie spürte einen Stich der Enttäuschung. Vielleicht wäre es doch netter gewesen, mit ihm zusammen essen zu gehen? Sie war hungrig, weil sie bei ihrem späten Mittagessen unterbrochen worden war. Von dem Mann, der etwas weiter den Flur hinunter stand und allem Anschein nach auf sie wartete. Ursula ging an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
«Wir sehen uns morgen.»
«Ich begleite dich zum Auto», sagte Sebastian und holte sie ein.
«Mach dich doch nicht lächerlich. Das ist nicht nötig.»
«Ich will aber gern. Keine Widerrede.»
Ursula seufzte und setzte ihren Weg zum Aufzug fort, drückte auf den Knopf und wartete. Sebastian stand schweigend neben ihr. Nach einer halben Minute glitten die Türen auf, und Ursula stieg ein, gefolgt von Sebastian. Sie drückte G für Garage und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Metalltüren.
«Ich musste an Barbro denken», brach Sebastian schließlich das Schweigen. «Vielleicht sollte ich es ihr auch erzählen.»
Ursula antwortete nicht. Sie wollte einfach so tun, als hätte sie nichts gehört.
«Ich weiß gar nicht, wo sie jetzt wohnt», fuhr Sebastian fort, und Ursula bildete sich ein, einen leicht entschuldigenden Tonfall durchzuhören. «Vielleicht hat sie wieder geheiratet und ihren Namen gewechselt …»
«Ich weiß es auch nicht», unterbrach Ursula ihn forsch.
«Ich dachte, ihr hättet euch vielleicht wieder …»
«Nein», fiel sie ihm erneut ins Wort, «haben wir nicht!»
Sebastian verstummte. Der Aufzug hielt, und die Türen glitten auf. Ursula stieg aus und ging in die Tiefgarage. Sebastian ihr nach. Ursula ging mit schnellen, zielgerichteten Schritten, ihre Absätze klapperten auf dem Boden, und der kahle Beton ließ das
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