Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
unzusammenhängend und klang vermutlich total verrückt. Am Ende fragte ihn die Frau, worauf er eigentlich hinauswolle. Da legte er auf und versuchte es nicht einmal mehr, die letzte Nummer auf seiner Liste anzurufen.
Eine solche Angelegenheit ließ sich nicht telefonisch erledigen. Das ging einfach nicht.
Aber er konnte auch niemanden mehr persönlich aufsuchen. Er konnte rein gar nichts tun.
Was er denn zu den Ermittlungen beitrug, hatte Vanja gefragt. Die Antwort war einfach und niederschmetternd. Nichts. Er musste Hinde erneut treffen. Bei ihm lag die Lösung. Dort gab es etwas, womit er arbeiten konnte, etwas, das er begreifen konnte. Er war gezwungen, Hinde zu treffen. Und vorher zu Mittag zu essen.
Sebastian holte sich beim Italiener an der Ecke eine Pizza zum Mitnehmen. Er hatte an diesem Morgen das Frühstück ausgelassen und fühlte sich vom vielen Kaffee übersäuert. Er musste dem Magen etwas geben, womit der etwas anfangen konnte. Etwas zum Auffüllen. Er entschied sich für die Pizza «Belker». Schinken, Champignons, Bacon, Zwiebeln, Salami, Banane, Curry, Knoblauch und Sauce béarnaise. Sebastian mochte kein Obst im Essen, hatte es noch nie gemocht, also tauschte er die Banane gegen einige Krümel Gorgonzola aus.
Er nahm die Pizza mit in den Besprechungsraum und schlang sie in weniger als einer Viertelstunde in sich hinein. Er fraß mit den Händen direkt aus dem Karton und spülte das Essen mit einem halben Liter Cola herunter. Der Effekt trat innerhalb weniger Minuten ein.
Er hatte zu schnell gegessen. War zu satt geworden. Sein Bauch war so voll, dass er kaum noch tief einatmen konnte. Er stieß etwas Kohlensäure auf, wodurch es etwas besser wurde. Etwas, aber nicht viel.
Er lehnte sich im Stuhl zurück und streckte die Beine unter dem Tisch aus. Faltete die Hände über dem Bauch und schloss die Augen.
Er war müde. In der Nacht war er nach all den Erledigungen rund um Annas Sicherheit nicht zur Ruhe gekommen. Zu Hause angekommen, war er völlig aufgekratzt gewesen, hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, Trolle Gesellschaft zu leisten, es dann aber doch sein lassen. Dann hatte er sich ins Bett gelegt und ferngesehen, bis er gegen halb drei einschlief.
Um kurz vor fünf hatte ihn dann der Traum geweckt, seine rechte Hand war zur Faust geballt. An zwei Stellen hatten seine Nägel blutige Risse in die Haut gebohrt. Er streckte seine Finger aus und spürte, wie der Krampf nachließ. Anschließend lag er eine Weile wach und überlegte, ob er den Traum ein zweites Mal zu sich einladen sollte. Manchmal tat er das, ließ zu, dass sich der Traum erneut einschlich, und genoss jede Sekunde des unverfälschten Gefühls der Liebe, das dieses Träumen trotz allem beinhaltete und vermittelte. Richtiger wäre es natürlich, sofort aufzustehen und alles zurück ins Unterbewusstsein zu verbannen. Aber manchmal tat er das nicht. Obwohl der Rest des Morgens und der gesamte Tag dann so viel schwerer sein würden.
Manchmal brauchte er den Traum.
Brauchte es, Sabine zu spüren. Ganz nah. Ihre kleine Hand in seiner. Ihren Geruch wahrzunehmen. Wieder zu erleben, wie sie mit ihren kurzen, eifrigen Beinen auf das Wasser zurannte. Sie zu hören.
«Papa, so einen will ich auch.»
Ihre letzten Worte an ihn. Als sie ein anderes Mädchen mit einem aufblasbaren Delfin spielen sah. Er brauchte es, ihr Gewicht zu fühlen, wenn er sie trug. Ihre weichen Hände an seiner sonnenwarmen, unrasierten Wange. Ihr Lachen zu hören, als sie fast gestolpert wäre.
Er wollte sich von ihr umschließen lassen.
Bis das Geräusch kam.
Das Donnern.
Die Welle, die sie ihm wegnehmen würde. Für immer.
Die Tür zum Besprechungsraum wurde geöffnet, und Vanja, Billy und Torkel kamen herein. Sebastian zuckte auf seinem Stuhl zusammen und wäre fast heruntergefallen.
«Hast du etwa geschlafen?», fragte Torkel ohne den Anflug eines Lächelns, während er sich einen Stuhl herauszog und an den Tisch setzte.
«Ich habe es zumindest versucht», antwortete Sebastian und richtete sich auf. Er sah auf die Uhr. Eine Viertelstunde war spurlos verschwunden, aber ihm war immer noch leicht übel.
«Was hast du denn getan, das dich so ermüdet hat?»
Irgendwie gelang es Vanja ohnehin, die Antwort «Nichts, wie immer» gleich in ihrer Frage mitschwingen zu lassen, sodass Sebastian darauf verzichtete, etwas zu erwidern.
«Wo ist Ursula?», fragte er stattdessen. Er vermutete, dass sie eine Art Besprechung abhalten würden.
«Immer noch in der
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