Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
sie demnächst ein Gespräch führen mussten. Irgendetwas schien in ihrem Verhältnis schiefgelaufen zu sein.
Eigentlich war er doch bisher immer motivierend gewesen und hatte ihre Umtriebigkeit gelobt, beispielsweise die Initiative, die sie bewiesen hatte, als sie ihm aus der Kantine Kaffee geholt hatte. Das hatte er zur Kenntnis genommen und sie dazu ermuntert, so weiterzumachen.
«Ich bin unterwegs. Gibt es irgendwas Besonderes?»
«Die monatliche Sitzung mit den Psychologen.»
Verdammter Mist, das hatte er völlig vergessen. Der Anstaltsleiter und das medizinische Personal trafen sich jeden letzten Mittwoch im Monat zu einer Sitzung. Haraldsson hatte eigentlich vorgehabt, das Treffen zu verschieben und es deshalb nicht in seinem Kalender notiert. Er wollte sich erst etwas besser einarbeiten, bevor sie sich zum ersten Mal trafen, hatte dann aber vergessen, einen Ersatztermin zu vereinbaren. Und jetzt war es vermutlich zu spät.
«Wo findet die statt?»
«Hier. In zwanzig Minuten.»
Haraldsson sah auf die Uhr. Er würde noch mindestens eine halbe Stunde brauchen.
«Bis dahin bin ich sowieso spätestens da», erwiderte er und legte auf. Sollte Annika doch den Teilnehmern sagen, dass er unterwegs sei und pünktlich kommen würde. Jetzt hatte er noch mindestens eine halbe Stunde Zeit, eine Ausrede für seine Verspätung zu finden. Irgendetwas mit dem Verkehr schien naheliegend. Vielleicht Bauarbeiten. Ein gesperrter Fahrstreifen. Stau. Er müsse sich entschuldigen, aber so etwas sei natürlich nur schwer vorauszuplanen. Er stellte sein Radio lauter und beschleunigte noch mehr.
B illy und Vanja saßen in der Kantine des Busdepots und warteten auf Mahmoud Kazemi, der an dem besagten Tag den Bus gefahren hatte. Die Frau an der Rezeption hatte ihnen erklärt, dass er in den nächsten zehn Minuten eintreffen müsste und dann fünfzehn Minuten Pause hätte. Billy hatte gefragt, was passieren würde, wenn sie ihn länger als eine Viertelstunde befragen wollten. Darauf hatte die Frau entgegnet, in diesem Fall müssten sie eben eine Runde im Bus mitfahren. Sie dürften sich keine Verspätungen erlauben, und es gab derzeit auch keine Möglichkeit, so kurzfristig eine Vertretung zu organisieren oder Kazemi mit einem anderen Fahrer tauschen zu lassen. Daraufhin beschloss Billy insgeheim, die Befragung auf fünfzehn Minuten zu beschränken. Was Vanja dachte, wusste er nicht und würde es auch nicht erfahren. Seit dem Disput darüber, wer von ihnen beiden der bessere Polizist sei, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Lächerlich, könnte man meinen. Wie zwei eifersüchtige Kinder. Unreif. Aber darum ging es nicht, redete Billy sich ein. Es ging darum, dass Vanja so deutlich gesagt hatte, er sei ein schlechterer Polizist als sie. Vielleicht war er das auch. Sogar ziemlich wahrscheinlich. Aber diese Attitüde, diese selbstverständliche Überheblichkeit, mit der sie es gesagt hatte, hatte ihn geärgert und verletzt. Und zwar gehörig. Das hätte er von Vanja nicht erwartet. Er dachte, sie beide stünden über solchen Kommentaren und Angriffen. Natürlich waren sie sich bisweilen auch mal uneinig, das war nur natürlich, wenn man zusammenarbeitete. Aber Meinungsverschiedenheiten waren eine Sache, Böswilligkeit eine andere.
Die Frau an der Rezeption hatte sie zur Kantine geführt. Es war ein funktioneller Saal mit Holztischen, Wachsdecken mit einem Muster aus Preiselbeerkränzen, Plastikstühlen, Kaffeemaschinen, Mikrowellen und einer Spülmaschine. An der Wand hingen Plakate, die etwas mit Bussen und Verkehr zu tun hatten. Die Kantine war weder besonders renovierungsbedürftig, noch besonders neu. Sitzen, Pause machen, essen. Zu längeren Aufenthalten als notwendig lud sie nicht ein. Eine Mischung aus Schweiß und Essensdämpfen lag in der Luft. Billy ließ sich an einem Tisch nieder, Vanja ging zur Kaffeemaschine.
«Willst du auch welchen?»
«Nein, danke.»
Vanja zuckte mit den Schultern und wandte ihm den Rücken zu, während die Maschine den Pappbecher füllte. Anschließend kam sie wieder herbei und setzte sich neben Billy. Wahrscheinlich nur, weil es einen merkwürdigen Eindruck auf Mahmoud Kazemi machen würde, wenn sie an getrennten Tischen säßen. Sie schlürfte schweigend ihren Kaffee.
Dann tauchte ein Mann Anfang vierzig in der Tür auf. Er war vielleicht einen Meter fünfundachtzig groß, hatte dunkle Haare, einen Schnauzbart und braune Augen, mit denen er sie nervös ansah.
«Man hat gesagt, Sie
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