Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Bezog das Bett neu und klopfte die Kissen auf dem Sofa zurecht. Dann räumte sie den Kühlschrank leer und stellte alle Pflanzen auf den Balkon, damit die Witwe Lindell nicht durch die ganze Wohnung lief.
Als sie mit allem fertig war, setzte sie sich mit einem Gläschen von ihrem Lieblingscognac aufs Sofa. Sie hatte die Flasche schon seit mehreren Jahren und trank nur bei besonderen Gelegenheiten davon. Der Cognac stammte von einem kleineren Produzenten, Delamain, und sie hatte in einer Zeitschrift von seinem «Réserve de la Famille» gelesen. Er war teuer, aber ergiebig, und sie liebte den sanften Schnapsgeschmack und seinen fruchtigen Abgang. Dieser Cognac sorgte dafür, dass sie sich auserwählt und exklusiv fühlte in einer Welt voller profaner Belohnungen. Einer Welt, die nicht so genießen konnte wie sie.
Nicht so leben.
Nicht so lieben.
Seit sie Sebastian Bergman zum ersten Mal getroffen hatte, waren einige intensive Tage vergangen. Sebastian, dieser Seelenverwandte, der ihr Leben im Sturm erobert hatte. Nun brauchte sie eine kurze Zeit für sich und ihre Gedanken, ehe sie weiterging. Sie nippte an ihrem Cognac und saß einfach nur da.
Eine Zeit für sich. Im Hier und Jetzt.
Bevor ihr Leben weiterging.
Ralph stieg am Odenplan aus. Er war nicht ganz sicher, ob das tatsächlich die U-Bahn-Station war, die am nächsten an der Västmannagatan lag, dafür fuhr er zu selten mit der grünen Linie, aber auf der Karte hatte es so ausgesehen. Unten am Bahnsteig waren nicht viele Fahrgäste unterwegs, und er gelangte schnell aus dem U-Bahn-Schacht nach oben. Er überquerte die breite Straße und ging Richtung Westen. Die Västmannagatan müsste einige Querstraßen weiter liegen. Er war noch nie zu Fuß dorthin gegangen. Unterwegs machte er sich Gedanken, wie er vorgehen sollte. Er nahm sein Handy und wählte Ellinor Bergkvists Nummer. Sie meldete sich nach dem dritten Klingeln.
«Ja, hallo, hier ist Ellinor?»
Ralph legte sofort auf. Sie war zu Hause. Er wusste, dass sie allein wohnte. Am Tag nach Sebastians Besuch war es ihm gelungen, den Türcode zu erspähen, weil er so getan hatte, als wollte er einer alten Frau beim Betreten des Hauses helfen. Das erste Hindernis war also schon einmal überwunden. Anschließend wäre er jedoch zur Improvisation gezwungen. Genau wie bei Anna Eriksson war die Planung unvollkommen, und das störte ihn. Alternativ hätte er sie jedoch einige Wochen oder wenigstens Tage beobachten müssen, und er wusste, dass ihm diese Zeit nicht mehr blieb. Eine neue Phase war angebrochen. Alles musste schneller gehen. Sowohl Entscheidungen als auch Handlungen. Er musste es schaffen. Er sollte es schaffen. Inzwischen war er erfahren. Und kurz davor, in die Geschichte einzugehen. Er, der einfache Blumenbote, der ein Geschenk brachte. Welche Frau würde ihm nicht die Tür öffnen?
«Entschuldigung. Dein Sebastian.»
Er lächelte, als er an seinen Plan dachte.
Er gelangte zu dem Hauseingang und seinem endgültigen Ziel, ging jedoch zunächst vorbei, ohne dort anzuhalten. Stattdessen lief er zu dem kleinen Park hinauf und setzte sich für einen kurzen Moment auf die dunkelgrünen Bänke. Er sah sich um. Soweit er es erkennen konnte, war niemand in der Nähe. Niemand, der ihm oder dem Eingang besondere Aufmerksamkeit widmete. Ein Müllauto fuhr langsam vorbei, verschwand jedoch hinter der Ecke. Ralph stand wieder auf und hielt den Blumenstrauß so, dass er einen Großteil seines Gesichts verbarg.
Dann ging er langsam zurück. Nicht zu schnell. Er durfte nicht gestresst wirken. Nicht auffallen.
Durfte nur als Arm voller Rosen zu sehen sein.
Eine Liebesgabe auf dem Weg zu einer Frau.
Der Code lautete 1439. Er kontrollierte ihn noch einmal mit einem Blick auf sein Handy, wo er sich die Zahl sicherheitshalber gespeichert hatte.
Die Zahl stimmte.
Die Haustür öffnete sich von selbst. Sie war mit einem automatischen Mechanismus ausgestattet, um Leuten mit Kinderwagen und älteren Menschen das Betreten zu erleichtern. Das gefiel ihm nicht. Es machte seinen Auftritt zu groß, zu dramatisch, als würde er eine Bühne betreten. Er ging schnell in das große Foyer, wo er so tat, als suchte er an der Übersichtstafel nach dem Namen, obwohl er genau wusste, wo sie wohnte. Im vierten Stock. Drei Nachbarn. Die automatische Tür fiel langsam hinter ihm zu, und es kehrte eine befreiende Stille ein, als der Lärm von der Straße ausgeschlossen wurde. Es kam ihm vor, als wäre er unsichtbar, wie er so in
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