Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
hielt. Zufrieden verließ sie Ralph Svenssons stickige Wohnung.
Die Ablösung war gerade angekommen, und sie sprach kurz mit den beiden Polizisten im Treppenhaus und impfte ihnen ein, dass niemand außer ihr Zugang zu der Wohnung erhalten sollte, zumindest nicht ohne ihre Genehmigung. Sicherheitshalber hinterließ sie ihnen ihre Telefon- und Handynummer und ging dann die Treppen hinunter. Es war ein unerhört intensiver Tag gewesen, und sie spürte, wie erschöpft sie war, sowohl körperlich als auch seelisch. Sie blieb vor der Tür stehen und genoss für einen Moment den sommerlichen Duft von warmem Gras. Trotz ihrer Müdigkeit war sie zufrieden. Die Wohnung hatte sich als Schatzkiste erwiesen, und sie hatte sich schnell darauf eingestellt, eher Prioritäten setzen zu müssen, als in die Tiefe zu gehen. Obwohl ihr noch viele Stunden Arbeit bevorstanden, war sie überzeugt, bereits ausreichend Beweise gefunden zu haben, um Ralph Svensson sämtlicher Morde zu überführen, ganz gleich, ob mit oder ohne Geständnis. Genau das war das eigentliche Ziel ihrer Arbeit. Beweise zu finden, die so stark waren, dass die Aussage des Verdächtigen nicht unbedingt das größte Gewicht hatte. Dann hatte sie gute Arbeit geleistet. Wenn die Wahrheit objektiv und messbar wurde.
Sie ging zu ihrem Auto und spielte vorsichtig mit dem Gedanken, Torkel anzurufen. Nach der Pressekonferenz hatten Vanja und er noch einmal bei ihr vorbeigeschaut. Sie mussten vor der Wohnung Sebastian in die Arme gelaufen sein, denn Torkel erzählte als Erstes, dass Sebastian ab sofort nicht mehr an den Ermittlungen beteiligt war. Insbesondere Vanja wirkte darüber erleichtert. Sie schien vor Energie nur so zu sprudeln und gab einige vernichtende Urteile über den unmöglichen Mann von sich, den sie so sehr hasste. Ursula spürte dagegen eher einen leisen Kummer. Nicht weil sie der Meinung war, dass Sebastian diesmal etwas Großartiges geleistet hätte, aber sie kannte ihn noch von früher. Als er eine unglaubliche innere Kraft besessen hatte. Der Mann, der mit hängenden Schultern Ralph Svenssons Wohnung verlassen hatte, war nicht derselbe. Niemand sollte so tief fallen müssen. So schwer getroffen werden. Nicht einmal Sebastian Bergman. Und aus diesem Grund konnte sie Vanjas Freude nicht ganz teilen.
Bevor er wieder ging, war Torkel noch kurz im Flur stehen geblieben und hatte ihren Blick gesucht. Sie kannte diesen Glanz in seinen Augen schon von ähnlichen Momenten, wenn er im Dienst war. Er wurde nur dann sichtbar, wenn sie einen großen Durchbruch geschafft hatten, und scheinbar konnten sie diese Augenblicke im Beisein des anderen verlängern.
Aber diesmal würde sie es nicht zulassen. Es erschien ihr irgendwie nicht angemessen. Wenn sie in einer anderen Stadt waren, war das in Ordnung. Dann war es nicht so ernst. Jetzt schien es zwar verlockender, aber gleichzeitig auch schmutziger. Und außerdem war da noch die Sache mit Mikael.
Sie setzte sich ins Auto und fuhr in Richtung Stadt, ohne zu wissen, wo sie hinwollte. Vielleicht wäre es ein Kompromiss, noch mal kurz im Büro vorbeizuschauen, aber eigentlich hatte sie darauf keine große Lust. Sie beschloss, nach Hause zu fahren.
Mikael war da.
Er saß auf dem Sofa, als sie hereinkam, und sah ebenfalls erschöpft aus.
«Du siehst müde aus.»
Er nickte und stand auf. «Möchtest du einen Kaffee?»
«Gern.»
Er ging hinaus, um die Kaffeemaschine anzustellen, während sie sich neben das offene Fenster setzte. Draußen war es herrlich ruhig, und sie genoss es, ihn in der Küche werkeln zu hören. Sie spürte, dass sie eine gute Entscheidung getroffen hatte. Regeln waren nun mal Regeln, und nur weil man sie einmal gebrochen hatte, musste man nicht gleich damit weitermachen. Mikael hatte eine beruhigende Wirkung auf sie, das musste sie zugeben. Er war vielleicht nicht unbedingt der leidenschaftlichste Mann der Welt, aber er war immer für sie da. Und das war viel wert.
«Ich habe im Radio gehört, dass ihr jemanden verhaftet habt», hörte sie ihn aus der Küche rufen.
«Ja, ich habe den ganzen Nachmittag in seiner Wohnung verbracht», erwiderte sie.
«Hast du etwas gefunden?»
«Massenhaft. Er ist schuldig.»
«Gut.»
Mikael kam wieder herein. Er sah sie an.
«Setz dich», begann sie und klopfte auf den Platz neben sich auf dem Sofa.
Aber er lehnte ab. «Nicht jetzt. Wir müssen reden.»
Sie stutzte kurz, dann setzte sie sich auf und sah ihn an. Es passierte nicht oft, dass Mikael reden
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